Streit um Rußlands Reformer

■ Regierungsbildung verzögert sich weiter

Moskau (taz) – Die Regierungsbildung in Rußland kommt nicht voran. Gestern trennten sich Präsident Jelzin und Premierminister Tschernomyrdin nach mehr als sechsstündigen Verhandlungen, ohne sich auf ein neues Kabinett zu einigen. Heute wollen sie nur per Telefon miteinander verhandeln. Vor allem das Schicksal von Finanzminister Fjodorow scheint zwischen den beiden zu einer erheblichen Meinungsverschiedenheit geführt zu haben. Fjodorow, der neben dem zurückgetretenen stellvertretenden Vizepremier Gaidar Symbol eines kompromißlosen Reformkurses war, wurde vom Premier im neuen Kabinett zwar weiterhin als Finanzminister vorgesehen, verlor aber seinen Posten als stellvertretender Premier. Im neuen Kabinett wolle er nun nicht mehr das Finanzministerium übernehmen, erklärte seine Sprecherin gestern.

Das Reformbündnis „Demokratisches Rußland“ kündigte an, es werde in Opposition zur Regierung gehen. Die Partei hält Tschernomyrdin vor, den Reformkurs langsam, aber sicher zu untergraben und Jelzin zu diskreditieren. Es gebe keine Klarheit mehr, welcher ökonomische Kurs überhaupt verfolgt werde. Das Bündnis stellt sich damit eindeutig hinter den Präsidenten. Der, so scheint es, hat momentan jedoch keine Vorstellungen, wie er des Chaos Herr werden könnte. khd

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