Prozeß gegen Eva Haule auf der Kippe

Geheimer Auswertungsbericht aus dem Bundeskriminalamt sieht „keinen Beleg“ für Beteiligung der RAF-Gefangenen am Bombenanschlag auf US Air-base / BKA-Beamter wird versetzt  ■ Von Gerd Rosenkranz

Die Verteidiger der Delinquentin hätten es kaum eindeutiger formulieren können: „Die den Asservaten zu entnehmenden Indizien stellen... keinen Beleg für eine mögliche Beteiligung von Eva Haule an der Planung und/oder Vorbereitung des Anschlags vom 08.08.85 dar.“ Doch die 21 Seiten umfassende Auswertung zweier konspirativer Notizzettel der früheren RAF-Aktivistin, an deren Ende der Autor zu seinem „Freispruch“ erster Klasse kommt, stammt mitnichten aus der Kanzlei der Haule-Anwälte. Sie stammt aus dem unmittelbaren Ermittlungsbereich der Terrorismusabteilung des Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden. – Der Bericht, verfaßt von Kriminaloberrat Brisach (Referat TE 11 des BKA), zielt auf den Kern des Prozesses gegen Eva Haule, der heute in Frankfurt/M. fortgesetzt werden soll. Auf der Grundlage der beiden 1990 in der Zelle von Haules Mitgefangener Manuela Happe in der Justizvollzugsanstalt Aichach entdeckten Schriftstücke legt die Bundesanwaltschaft (BAW) der RAF- Gefangenen die direkte Beteiligung am Anschlag auf die Rhein- Main-Air-base im August 1985 zur Last. Bei der Explosion einer Autobombe starben damals zwei Menschen, tags zuvor hatte das RAF-Kommando den 19jährigen GI Pimental regelrecht hingerichtet, um sich mit seiner Identitätskarte den Zutritt zur Air-base zu verschaffen. Eine Verurteilung brächte Haule voraussichtlich lebenslang hinter Gitter.

Obwohl von Anfang an massive Zweifel an der Tragfähigkeit der Indizien bestanden, hielt die Karlsruher Bundesanwaltschaft eisern an der neuen Anklage gegen die bereits zu fünfzehn Jahren Haft verurteilte frühere RAF-Frau fest. Haule selbst, die den Pimental- Mord heute als „schweren Fehler“ qualifiziert, glaubt in ihren konspirativen Nachrichten an andere Inhaftierte der RAF niemanden – auch nicht sich selbst – belastet zu haben. Genau so sieht es auch der BKA-Beamte Brisach, der angeblich als Prozeßbeobachter des BKA an dem Verfahren vor dem OLG Frankfurt teilnimmt. – Brisachs Bericht datiert vom 13. Dezember 1993, wurde also vermutlich erst während des laufenden Prozesses erarbeitet. Für den Kriminaloberrat spiegeln die Haule- Briefe, in denen die Gefangene versucht, die internen Diskussionen der RAF vor ihrer eigenen Verhaftung im August 1986 an die bereits inhaftierten Gruppenmitglieder zu vermitteln, „offensichtlich nicht die individuelle Meinung der Texturheberin wider, sondern stellen sich als Reflexionsversuch verschiedener RAF-Erklärungen Mitte der 80er Jahre dar“.

Zwar berichte Haule über den Air-base-Anschlag häufig in der Wir-Form, damit bezeichne sie jedoch eindeutig „nicht die ausführenden Täter, sondern die RAF als Kollektiv, zu dem sie sich zählt“. Im übrigen benutze, so die BKA- Auswertung, „Haule in den Asservaten 1.1.8 und 1.1.34 (BKA-Klassifizierung der beiden Briefe) immer dann, wenn es um Passagen geht, die mit der unmittelbaren Tatausführung in Verbindung stehen, nicht mehr die ,wir‘-Form“. So bei der Behandlung der Frage, wo die Autobombe auf dem Air- base-Gelände deponiert wurde. O-Ton Haule: „das kommando hätte die karre auch irgendwo anders abgestellt...“ Gegen eine unmittelbare Tatbeteiligung der Angeklagten spricht für Brisach auch eine objektiv falsche Angabe Haules über die verwendete Sprengstoffmenge (200 kg). Tatsächlich habe die Bombe mit einem Gesamtgewicht von 240,2 kg nur 127,7 kg Sprengstoff enthalten.

Nach Informationen der taz denkt die BAW trotz der gegenteiligen Auffassung der BKA-Fachleute auch jetzt nicht an die Einstellung des Verfahrens. Vielmehr wird die Expertise aus Wiesbaden als isolierte Einzelmeinung dargestellt. Sie stehe im Gegensatz zum BKA-Ermittlungsbericht, auf dessen Grundlage die BAW die Anklageschrift verfaßt habe.

Ohne Konsequenzen soll der aufsehenerregende „Auswertungsbericht“ vom 13. Dezember, der angeblich bald „zu den Gerichtsakten gegeben“ wird, dennoch nicht bleiben: Kriminaloberrat Brisach soll zum 1. Februar aus der Abteilung TE 11 des BKA versetzt werden. Dies, heißt es in einem der taz vorliegenden anonymen Schreiben unter BKA-Briefkopf, sei der „bisherige Schlußpunkt“ in einer Reihe von „reaktionären Personalentscheidungen“, mit dem Ziel einer „konformeren und vorgabehörigen Abteilung für Terrorismusbekämpfung“.