Massenabschiebungen geplant

■ Nach dem 30. April sollen 100.000 Kroaten abgeschoben werden / Nur noch für bosnische Flüchtlinge gilt Abschiebestopp / Zagreb erbittet „selektive Rückführung“

Berlin (taz) – Die Ausländerbehörden der einzelnen Bundesländer treffen zur Zeit konkrete Vorbereitungen für eine große Abschiebeaktion nach Kroatien. Betroffen von der bundesweiten Aktion sind nach offiziellen Angaben rund 100.000 Kroaten, die vor dem 22. Mai 1992 nach Deutschland eingereist sind. Anders als die nach diesem Stichtag Eingereisten waren sie bisher vor einer Abschiebung geschützt. Im November letzten Jahres hatten die Innenminister von Bund und Ländern jedoch einstimmig beschlossen, diesen Abschiebestopp letztmalig bis zum 30. April 1994 zu verlängern. Kroatische Flüchtlinge, die in diesen Tagen ihre Duldung bei der Ausländerbehörde verlängern wollen, bekommen jetzt neben der Aufenthaltsbefristung bis zum 30. April eine Ausweisungsverfügung in den Paß gestempelt.

Einen formellen Abschiebestopp für das ehemalige Jugoslawien gibt es damit nur noch für Bosnier. Kroatische Flüchtlinge sollen nach dem 30.April nur noch unter zwei Voraussetzungen in Deutschland bleiben dürfen: wenn sie in gemischt-nationalen Ehen leben oder wenn enge familiäre Bindungen zu Verwandten bestehen, die mindestens fünf bis acht Jahre in Deutschland leben. Ursprünglich hatten die Innenminister noch andere Bleibekriterien diskutiert: So war u.a. ein Abschiebestopp für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure im Gespräch, für Flüchtlinge aus serbisch besetzten Gebieten und für Kroaten serbischer Herkunft. Dieser Kriterienkatalog, den auch der UN-Flüchtlingskommissar als Grundlage für Abschiebungen nach Kroatien fordert, ist jetzt jedoch auf die zwei oben genannten Ausnahmeregelungen geschrumpft.

Nach dem 30. April können kroatische Flüchtlinge nur noch auf eine Härtefallregelung hoffen. Danach darf niemand abgeschoben werden, dem in seiner Heimat Gefahr für Leib und Leben droht. Da aber eine fehlende Wohnung oder keine Arbeitsmöglichkeiten keine „Gefahr für Leib und Leben“ darstellen, können auch all die abgeschoben werden, deren Dörfer zerstört oder von Serben besetzt sind. Das UN-Flüchtlingskommissariat in Bonn warnte denn gestern auch vor den „problematischen Folgen einer Rückführung im großen Maß“. Sie könne zu schwerwiegenden Spannungen zwischen den einzelnen Flüchtlingsgruppen führen. Obwohl abzusehen ist, daß die Rückkehr mehrerer zehntausend Flüchtlinge aus Deutschland zu großen Problemen führt, hat sich die kroatische Regierung in Gesprächen mit deutschen Politikern für eine Rückführung der eigenen Landsleute stark gemacht. Gestern nun baten die Behörden in Zagreb um eine „selektive Rückführung“ nur derjenigen, die nicht aus besetzten Gebieten kommen.

Hintergrund dieser Bitte dürfte die Tatsache sein, daß Andeutungen von deutscher Seite, die Massenabschiebung mit einem Wiederaufbauprogramm zu begleiten, immer fragwürdiger werden. Bund und Länder konnten sich bisher nicht über dessen Finanzierung einigen. Konkrete Aufbaumaßnahmen sind nicht in Sicht. Vera Gaserow