Finnland macht die Grenzen dicht

Regierungsbeschluß: Flüchtlinge aus Rußland und Estland werden ohne Asylprüfung abgewiesen / Fadenscheinige Argumente: „Asyltourismus“ und steigende Kriminalität  ■ Aus Helsinki Reinhard Wolff

Finnland hat mit unmittelbarer Wirkung die Grenzen für Asylsuchende aus Rußland und Estland geschlossen. Der am Mittwoch abend auf einer Kabinettssitzung der Mitte-rechts-Regierung Esko Aho gefaßte Beschluß bedeutet, daß Flüchtlinge aus diesen Ländern in Zukunft ohne Prüfung der Asylgründe bereits an der Grenze abgewiesen werden können.

Noch weitergehende Vorschläge des Innenministeriums, die beiden Länder zu „sicheren Asylländern“ auch bezüglich durchreisender Flüchtlinge zu erklären, wurden zunächst vertagt. Asylsuchende aus Drittländern, die über Estland und Rußland einreisen, dürfen also nicht automatisch dorthin zurückgewiesen werden. Es scheint allerdings nur eine Frage der Zeit, bis Finnland und die übrigen skandinavischen Länder auch diesen Schritt tun werden.

Innenminister Mauri Pekkarinen begründete den Schritt der Regierung mit dem Mißbrauch des Asylrechts durch russische und estnische Asylsuchende, die lediglich die finnischen Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollten. Mit dem Beschluß solle außerdem die steigende Kriminalität gestoppt werden, die gerade von russischen und estnischen StaatsbürgerInnen ausgehe. Verkehrsminister Ole Norrback, der sich im Kabinett vergeblich der Verschärfung der Asylrechtspraxis widersetzt hatte, weist diese Argumente zurück: Es liege am Innenministerium, die Fälle offensichtlichen Asylrechtsmißbrauchs so schnell zu prüfen, daß diese von selbst aufhörten. Schon jetzt dauern solche Asylverfahren insgesamt nicht länger als einen Monat. Es gebe außerdem keinen Beleg dafür, daß gerade von Asylsuchenden aus den Oststaaten eine erhöhte Kriminalität ausgehe. Die wirklichen Kriminellen aus Estland und Rußland kämen ohnehin mit gültigen Visa für Geschäftsreisende.

Flüchtlingshilfeorganisationen protestierten gegen den finnischen Vorstoß. Die Situation der Juden etwa zeige, daß es in Rußland durchaus asylrelevante Fluchtgründe gebe. Die Diskussion um Asylsuchende aus Estland und Rußland läuft seit dem vergangenen Herbst, als in allen nordeuropäischen Ländern die Ausländerbehörden über „Asyltourismus“ zu klagen begannen. Gerade arbeitslose Jugendliche, hieß es, würden im Asylland oft mehrere Monate kostenlosen „Urlaub“ machen. Finnland hatte diese Art des Mißbrauchs allerdings schon im Herbst durch die Beschleunigung der Asylprüfungsverfahren faktisch gestoppt. Derzeit klagt vor allem noch Dänemark – wo das Prüfungsverfahren mehrere Monate dauert – über diesen Mißbrauch des Asylverfahrens. Insgesamt handelt es sich aber immer um einige wenige Fälle. So kamen in Finnland im letzten Jahr nur fünf Prozent der Asylsuchenden aus dem Baltikum und Rußland.

Was die angeblich steigende Kriminalität aus diesem Personenkreis angeht, meint die Regierung vor allem die Prostitution, die innerhalb weniger Monate in Finnland auf ein vorher nicht wahrgenommenes Maß angestiegen ist. Frauen aus dem Baltikum und Rußland haben faktisch den gesamten Markt übernommen. Gelenkt wird dieses Geschäft aber nicht von Asylsuchenden, sondern von Herren mit Geschäftsvisa im Paß. Wie überhaupt nach Beobachtungen der finnischen Polizei die Ost-Mafia immer größere Teile der finnischen Unterwelt übernommen und diese kräftig ausgebaut hat. Über die schwer kontrollierbare Grenze läuft mittlerweile ein Großteil des Waren- und Drogenschmuggels, und Finnland ist auch für die Wäsche „schwarzen“ Geldes aus dem Osten zu einer ersten Adresse geworden.

Mit dem Einreisestopp für Flüchtlinge wird Finnland diesem Problem allerdings nicht Herr werden. Hier soll wohl eher die Bevölkerung beruhigt werden. Und wenn die Bordelle derzeit in Helsinki florieren wie nie zuvor, dann offenbar, weil Nachfrage besteht. Nach Beobachtungen der Polizei gehören gerade Politiker zu den besten Kunden.