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Perlen im Misthaufen

■ Hamburger Erfahrungen mit der Übergangsregelung des Paragraphen 218

Erfahrungen mit der Übergangsregelung des Paragraphen 218: „Die komplizierte Rechtslage hat die Frauen nicht nur stark verunsichert“, bilanziert die Landesvorsitzende von Pro Familia, Elke Kügler. „Die entstandene Verwirrung ist auch ein Instrument, Druck auszuüben.“ Ihr Verband hatte zur Diskussion über die Situtation acht Monate nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Mai 1993 geladen.

Jetzt gelte jetzt, so Kügler weiter, den Schaden zu begrenzen und „aus dem Misthaufen“ der Karlsruher Richter einige „Perlen“ herauszufiltern: So müssen Frauen bei dem vorgeschriebenen Beratungsgespräch ihre Gründe für einen Abbruch nicht mehr darlegen, sie können auch schweigen. Da sie aber letztendlich über eine abtreibung selbst entscheiden könnten, seien sie nicht mehr wie bisher abhängig vom Urteil Fremder.

Andererseits sei die Atmosphäre bei der „Zwangsberatung“ belastend. „Die Frauen fühlen sich massiv schuldig und rechnen mit einem Verhör“, so Kügler. In den Gesprächen, die jetzt - wenn auch anonym - protokolliert werden müssen, sollen die Frauen darauf hingewiesen werden, daß sie „werdendes Leben zerstörten“. „Das ist kontraproduktiv für jede Beratung.“

Die Teilnehmerinnen des Erfahrungsaustausches kritisierten besonders die jetzige Finanzierungs-Regelung. In der privaten Abrechnung sähen viele Ärzte einen freien Markt für zusätzliche Verdienstmöglichkeiten. Ungewollt schwangere Frauen würden in ihrer Verzweiflung jeden Preis zahlen, zum Teil auch, um sich von ihren Schuldgefühlen zu befreien. Ärzte verlangten häufig das Doppelte des Ortskrankenkassentarifs. Einig war sich frau in der Forderung, daß die Krankenkassen wieder die Kosten für den Abbruch übernhemen sollten. „Wir suchen eine mutige Frau, die bereit ist, mit unserer Unterstützung hierfür vor Gericht zu ziehen“, sagte Elke Kügler.

Gaby Werner

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