piwik no script img

■ Einkaufen im Zentrum der Hauptstadt„Über den Checkpoint Charlie zur Drogerie“

Erwin Porath, 73 Jahre, Rentner

Ich glaube, das wird hier immer schlechter. Manche Lebensmittel sind bereits teurer als im Westteil. Wir haben nur einen Gemüseladen in der Nähe und sonst gar nichts. Zum Einkaufen brauchen wir zu Fuß fast eine halbe Stunde. Es müßten noch wenigstens ein Bäcker und ein Fleischer her. Zur Drogerie müssen wir über den Checkpoint Charlie. Was nützen uns drei Friseurläden und ein Solarium?

Judith Mieth, 23 Jahre, Bürokraft

Früher war die Situation besser. Durch die teuren Mieten haben so viele Geschäfte dichtgemacht, daß es richtig trostlos geworden ist. Der Rest ist unbezahlbar, weil die Läden die Mieten auf die Produkte umschlagen. Meine Eltern wohnen hier um die Ecke. Die kriegen das auch zu spüren. Aber so richtig begreifen können sie es nicht. Ich frage mich, wie das weitergehen soll.

Klaus Gundlach, 54 Jahre, Friseur

Das Friseurgeschäft gibt es schon fast 50 Jahre. Die Gewerbemieten können wir noch bezahlen, obwohl sie stark gestiegen sind. Für viele kleine Geschäfte ist das hier aber ein Existenzkampf. Deshalb sollte man die Mieten gestaffelt nach Umsätzen erheben. Ich selber kaufe nicht in der Friedrichstraße ein. Es gibt zu wenige Geschäfte. Deshalb ist auch das Umfeld ziemlich tot.

Annette Weinmar, 29 J., Restaurantmeisterin

Ich finde die Einkaufssituation recht gut. Es gibt in der Nähe große Lebensmittelgeschäfte und außerdem mehrere Kleinläden für Fleisch und Gemüse. Ich bin zu Fuß etwa 20 Minuten unterwegs, um mir das Wichtigste zu besorgen. Was mir fehlt, ist ein Fischgeschäft. Da muß ich als Fischliebhaberin bis zum Alex fahren. Auch einen Laden für Kinderbekleidung wünsche ich mir.

Jean Titze, Linda Richter, 16 und 17 J., Schülerinnen

Wir kaufen Lebensmittel immer in den Seitenstraßen ein. An der Friedrichstraße selber gibt es nicht viele Möglichkeiten. Früher hat man an jeder Ecke etwas gekriegt. Aber die kleinen Lebensmittelläden sind alle Pleite gegangen. Jetzt gibt es nur noch Imbißbuden. In Zukunft sollte es hier Boutiquen geben wie am Ku'damm, damit endlich mal Leben reinkommt. Aber dann wird's sicher teuer.

Maria Schicke, 79 Jahre, Rentnerin

Ich hatte hier 30 Jahre lang eine Kneipe. Jetzt hat sie mein Sohn übernommen. Durch die Baustellen bleiben die Leute weg. Ich bin froh, daß ich mich nicht damit herumärgern muß. Zum Einkaufen gehe ich in die großen Kaufhallen. Das macht mir nichts aus, ich bin noch gut zu Fuß. Da ist es auch nicht billiger oder teurer als in anderen Geschäften. Was mich stört ist der Saustall im Tacheles.

Umfrage: Martin Hörnle

Fotos: Bente Geving

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen