Innovativer Baustein in der Arbeitsmarktpolitik

■ Drei Arbeitsförderbetriebe beschäftigen Menschen, die von Behörden schwer zu vermitteln sind / Ihr Motto: betriebswirtschaftlich und sozial zugleich

Für Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt kaum noch eine Chance haben, gibt es seit Mitte Dezember eine neue Perspektive. Die ersten drei Arbeitsförderbetriebe in Berlin nahmen ihre Arbeit auf. Hinter der sperrigen Bezeichnung verbergen sich Betriebe, die vor allem Menschen einstellen, die von Arbeitsämtern schwer vermittelbar sind. Dazu gehören ältere Arbeitnehmer, Alleinerziehende, Jugendliche mit geringer Qualifikation, Langzeitarbeitslose und Behinderte.

Anders als bei den klassischen ABM oder den Beschäftigungsgesellschaften dürfen Arbeitsförderbetriebe nicht nur, sie sollen sogar betriebswirtschaftlich arbeiten. Während einer mindestens drei Jahre dauernden öffentlichen Förderung sollen sie in steigendem Umfang Einnahmen erwirtschaften, um sich dann möglichst selbständig zu machen.

Der erste Arbeitsförderbetrieb wurde am 15. Dezember offiziell eröffnet. Das Unternehmen namens „fau – gesellschaft für faktenrecherchen, analysen und umweltschutz“ bietet in der Lichtenberger Rheinstraße Serviceleistungen im Umweltbereich an: Gutachten zur Altlastenerkundung, Müllentsorgungskonzepte für Krankenhäuser, Schallpegelmessungen oder die Digitalisierung von Kartenmaterial. „Wir machen solche Arbeiten, die sich ein Ingenieurbüro aufgrund des großen Zeitaufwandes und der hohen Kosten für die Angestellten gar nicht leisten könnte“, sagt Geschäftsführer Berthold Ihlo.

So erstellten einige Mitarbeiter in mühevoller Kleinarbeit ein Baumkataster für Weißensee und Hohenschönhausen. Andere untersuchten, ob die Container für recycelbaren Müll in einem Wohngebiet an Stellen stehen, an denen die Anwohner regelmäßig auf dem Weg zum Supermarkt oder Parkplatz vorbeikommen. Wieder andere fuhren 1.000 Kilometer Seeufer in Berlin mit dem Fahrrad ab und speisten die gesammelten Daten über den Zustand der Gewässerufer und die Eigentumsverhältnisse in das Computerprogramm für einen Umweltatlas ein.

Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) nannte die Arbeitsförderbetriebe einen „innovativen Baustein in der Berliner Arbeitsmarktpolitik“. Ein Ende der hohen Arbeitslosigkeit sei nicht abzusehen, so die Senatorin. „In der Krise brauchen wir den Mut zum Umdenken. Das gilt besonders für die Arbeitsmarktpolitik.“ Mit den Förderbetrieben werde ein neuer Weg zwischen sozialem Bereich und freier Wirtschaft beschritten. Sie seien stärker als andere arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf den Übergang in die Selbständigkeit angelegt.

Arbeitsförderbetriebe sollen gemeinnützige Aufgaben übernehmen, die für die freie Wirtschaft nicht rentabel sind. Vor allem an Tätigkeiten im Umwelt- und Sanierungsbereich, in der Jugendarbeit und an soziale Dienstleistungen ist gedacht. Die beiden weiteren Betriebe sind wie „fau“ im Umweltschutz tätig. „In Vitro Tec“ beschäftigt sich mit der Vermehrung von Pflanzen für den Umweltschutz, „Be-Se“ mit Landschaftspflege und Gartenbau. In den drei Betrieben sind derzeit 133 Menschen beschäftigt. 38 weitere Anträge liegen der Arbeitsverwaltung derzeit vor, 20 sind in der engeren Wahl.

„fau“ entwickelte sich aus sechs ABM-Projekten. Die Mitarbeiter erhielten während dieser Zeit eine Weiterbildung sowohl am Computer als auch im Umweltschutz. Heute sind bei „fau“ 62 Menschen beschäftigt. 80 Prozent davon gehören zu jenen, für die der erste Arbeitsmarkt keinen Platz mehr hat. Jeder Arbeitsplatz wird mit Lohnkostenzuschüssen des Arbeitsamtes sowie mit Mitteln aus dem Arbeitsmarktpolitischen Rahmenprogramm des Landes Berlin gefördert. Die öffentlichen Zuwendungen sollen von 25.000 Mark pro Stelle im ersten Jahr auf 22.500 im zweiten und dann auf 20.000 im dritten Jahr sinken. Die eigenen Einnahmen sollen steigen. Eine Prognose, ob „fau“ es in die Selbständigkeit schafft, mag Ihlo nach den ersten vier Wochen noch nicht geben. Ideen hat er genug: „Wenn der Aufschwung kommt und sich hier kleinere Firmen ansiedeln, können die sich wahrscheinlich noch keine Umwelt- oder Abwasserbeauftragten leisten. Das könnten wir dann tun.“ Corinna Raupach