Die Angst um den „Organismus Stadt“

■ Handelskammer wettert gegen Bodenspekulation in der Hamburger City

Als idealer hansestädtischer Gesamtkapitalist hat sich die Hamburger Handelskammer schon immer verstanden. Nach der erfolgreichen Operation Rot-Grau statt Rot-Grün holten die Kammergewaltigen gestern erneut zu einem mächtigen Schlag aus. Anläßlich der Präsentation ihres Jahresberichts 1993 wandte sich Kammer-Geschäftsführer Gerhard Schröder mahnend-warnend an die Creme de la Creme der Hamburger Bodenspekulanten und rief „die privaten Grundeigentümer der Hamburger Innenstadt“ auf, „die Gewerbemieten freiwillig zu stoppen“.

Denn, so Schröder: „Zu unserem Leidwesen ist in einigen Lagen eine Reihe von Fachgeschäften durch Filialbetriebe ersetzt worden, die mit ihrer Unternehmensmaxime ,Billig in Asien einkaufen, mit hoher Marge in Hamburg verkaufen' zwar die verlangten Mieten bezahlen können, den Branchenmix und das Einkaufsniveau aber vermindern oder sogar vernichten“. Dieser Prozeß, so die Kammer weiter, bedrohe die für den ganzen Hamburger Handel „überragende Bedeutung der City“.

Aber noch andere Wirtschaftsfeinde machte die Kammer aus: Die Verkehrs- und Stadtentwicklungsplaner mit ihren „Autofrei-Experimenten am lebenden Organismus Stadt“. Gefahr droht dem empfindlichen Gebilde des zentralen Erlebnis-Edel-Konsums zudem noch von „fliegenden Händlern, besprühten Wänden, professionellen Bettlern und schlechten Straßenmusikanten“.

Viel Feind, viel Ehr: Gute Nachrichten dagegen von der ZahlenFront der konjunkturellen Indices. Ein hauchdünnes Silberstreifchen machen die Kammerastrologen aus: „Der seit Mitte 92 rückwärts fahrende Konjunkturzug hat zum Jahresende angehalten und fährt nun wieder vorwärts – wenn auch noch mit wenig Dampf und geringem Tempo.“ Kurz: Das Stimmungsbarometer der Wirtschaft hat sich leicht verbessert, die Arbeitslosigkeit freilich wird erneut erheblich zunehmen.

Florian Marten