„Nieder mit dem Krieg – Sturz der Regierung“

■ Straßennamen, Teil 4: Der Führer der Berliner Arbeiterjugend, Erich Habersaath

Durch die geplante Straßenumbenennung im Ostteil der Stadt drohen Persönlichkeiten der Berliner Geschichte in Vergessenheit zu geraten. In einer Serie geht die taz der Frage nach, welche Schicksale sich hinter den Namen verbergen. Nach der gestrigen Vorstellung von Bernhard Almstadt folgt heute Erich Habersaath.

Vorabend der Novemberrevolution 1918 in Berlin. Am 8. November kamen im Parteibüro der USPD die Kontaktleute aus den Berliner Betrieben zusammen. Erich Habersaath war als Leiter der Freien Sozialistischen Jugend einer von ihnen. Unter der Ägide des Spartakusbundes wurde für den nächsten Tag der Generalstreik ausgerufen. Der Leitspruch lautete: Nieder mit dem Krieg, Sturz der Regierung, sozialistische Republik! Flugblätter wurden bis zum nächsten Morgen in Berlin verteilt. Auch Karl Liebknecht unterzeichnete.

Nach der Besprechung im Parteibüro der USPD lief Habersaath zum Alexanderplatz, um seine Genossen zu treffen. „Was soll werden?“ fragte einer. „Was werden soll? Morgen geht's los!“ antwortete Habersaath.

Und es ging los. Die Berliner Betriebe waren leer, die Arbeiter unterstützten den Generalstreik. Vom Gebäude der AEG in der Brunnenstraße zog Habersaath mit einer riesigen Traube von Demonstranten durch die Acker- und Invalidenstraße zur „Maikäferkaserne“ in der Chausseestraße. Soldaten jubelten den Demonstranten zu, wurden aber von ihren Offizieren in der Kaserne eingeschlossen. Als die Verhandlungen nicht fruchteten, stürmte Erich Habersaath an der Spitze der Protestler die Kaserne. Ein Offizier erschoß ihn.

Habersaath starb im Alter von 26 Jahren, am 9. November 1918, genau an jenem Tag, als Rosa Luxemburg durch die Novemberrevolution aus der vom Kaiser angeordneten „Schutzhaft“ befreit wurde.

Für seinen Mut und seinen Tatendrang war Habersaath bei den Genossen bekannt. Gleichsam besaß er einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Früh engagierte er sich in der SPD und leitete eine Jugendsektion. Sein Hang zur Radikalisierung keimte während des Ersten Weltkrieges. In der Maschinenfabrik Schwartzkopff AG erlebte der Metallarbeiter hautnah die Folgen des Krieges und seiner Industrie. 1917 trat er in die USPD ein und entfernte sich doch bald wieder von ihr. Im Januarstreik des Jahres 1918 fühlte sich Habersaath als Leiter der Jugendorganisation der USPD übergangen. Der Krieg sollte mit allen Mitteln beendet werden. Und die USPD war Habersaath zu zögerlich.

Zusammen mit Fritz Glöbig gründete Habersaath die „Freie Sozialistische Jugend Deutschlands“. Die Organisation stand im direkten Kontakt zum verbotenen Spartakusbund. Habersaath galt spätestens seitdem in seinem Betrieb als einer der „revolutionären Vertrauensleute“.

Eine schmale Straße in der Nähe der Chausseestraße und des ehemaligen Stadions der Weltjugend trägt seit 1951 seinen Namen. Ralf Knüfer

Die Serie wird fortgesetzt.