Rechtsbeugung zu Vermietergunsten?

■ Schwere Vorwürfe gegen den Richter der 62. Zivilkammer des Landgerichts, Klaus Schach, der die Abwälzung sämtlicher Zinserhöhungen auf Altbauten für zulässig hält / Verfaassungsbeschwerde erwogen

Ginge es nach dem Willen der 62. Zivilkammer des Landgerichts, drohte den Berlinern künftig die Umlage sämtlicher Zinserhöhungen der Eigentümerdarlehen auf die Miete. In einem Urteil, dessen schriftliche Begründung der taz nun vorliegt, entschied der Vorsitzende der Kammer, Klaus Schach, daß eine entsprechende Klage einer Hausverwaltung rechtens sei. Die betroffene Mieterin sieht sich nun mit einer Rückzahlung von über 12.000 Mark konfrontiert.

Vor drei Jahren verlangte die Sistra Verwaltungsgesellschaft, eine Nachfolgerin der berüchtigten Vogel/Braun-Gruppe, von einer Mieterin der Görlitzer Straße 55 in Kreuzberg eine Mieterhöhung von 445 auf 840 Mark. Zur Begründung hieß es, der Altbau sei nach der Modernisierung mit öffentlichen Mitteln als Neubau im sozialen Wohnungsbau zu betrachten und eine Umlage der erhöhten Zinsen für das Darlehen des Vermieters damit in vollem Umfang möglich.

Nachdem sich die Mieterin geweigert hatte, der Forderung nachzukommen, gingen die Vermieter vor Gericht. Umsonst: Die Mieterhöhung sei ungültig, entschied das Amtsgericht Mitte/Tiergarten im Januar 1993 und verwies darauf, daß nach dem Wohnungsbaugesetz die Görlitzer Straße mitnichten als Neubau zu betrachten sei. Ganz anders argumentierte dagegen in der Berufungsverhandlung das Landgericht unter Vorsitz von Klaus Schach. Es komme „nicht entscheidend auf die Qualität des Wohnraums (Altbau oder Neubau, d.Red.) für die Wirksamkeit der Mieterhöhungserklärungen an, wenn diese jedenfalls auch den Anforderungen des Paragraphen 5, Miethöhegesetz, entsprächen“, heißt es in der Urteilsbegründung der Berufungsverhandlung. Schach selbst war gestern telefonisch nicht zu erreichen.

„Dieses Urteil ist ein Witz“, kommentierte Mieterberater Hans Kellner den jüngsten Spruch Schachs. „Da hilft eigentlich nur noch eine Verfassungsbeschwerde.“ In der Tat besagt das Miethöhegesetz (neben der gebotenen Mietsenkung bei Zinssenkungen für Darlehen) eindeutig, daß zwar die erhöhten Zinsen der Darlehen für die Finanzierung von Neubau, Erweiterung oder Modernisierung, nicht aber jene für Instandsetzung auf die Miete umgelegt werden dürfen. „Die Instandsetzungskosten betrugen hier aber weit mehr als die anderen Kosten zusammen“, ärgert sich Kellner. Sei wie im Falle der Görlitzer Straße aus dem Darlehensvertrag nicht mehr eindeutig erkennbar, für welche Arbeiten der Kredit aufgenommen wurde, so Kellner, liege die Beweislast eindeutig bei dem, der sich auf eine Anspruchsgrundlage berufe, also beim Eigentümer. Bei Schachs Urteil, meinte Kellner gegenüber der taz, werde er den Eindruck nicht los, daß hier krampfhaft nach einer Möglichkeit gesucht wurde, dem Eigentümer die Umlage möglich zu machen. „Um einem derartigen Treiben von Landgerichten künftig begegnen zu können“, fordert nun der Berliner Mieterverein, die Umlage von Kapitalkosten im freifinanzierten Wohnungsbau, also auch dem Altbaubestand, gesetzlich auszuschließen.

Richter Schach, der beim Landgericht grundsätzlich für Mietrechtsverhandlungen aus Kreuzberg zuständig ist, ist in Berlin als Anwalt der Eigentümer bekannt. Bereits im Januar 1992 erhob die Berliner MieterGemeinschaft wegen eines ähnlichen Urteils eine – allerdings folgenlose – Dienstaufsichtsbeschwerde. „Im Klartext“, schrieb damals das Mieterecho zu dem Urteil, kann „sich der Vermieter künftig die Angabe eines Grundes für seine Mieterhöhung sparen, weil ihm die 62. Kammer diesen im Zweifelsfall heraussucht“. Der Vorschlag der Mieterorganisation: Schach solle entweder Wohnungspolitiker werden und die Gesetze ändern oder aber sich als Richter an bestehende Gesetze halten. Daß die eigenwillige Interpretation geltenden Rechts auch in Richterkreisen keine Ausnahme ist, zeigte unlängst auch Rudolf Beuermann, Richter am Amtsgericht Tiergarten. In einem Faltblatt der „Berliner Fachseminare“ wurde ein Referat des Richters unter dem Titel „Strategien zur Durchsetzung von Eigenbedarfskündigungen“ angekündigt. Im Ankündigungstext hieß es weiter: „Es gibt durchaus Gestaltungsmöglichkeiten, mit denen in Einzelfällen die Sperrfrist ,ausgehebelt‘ werden kann.“ Uwe Rada