Nicht fischen, nicht spazieren gehen

■ Hunderte Giftbeutel an der Westküste Schleswig-Holsteins angeschwemmt / Fischfang eingestellt / Reederei soll zahlen

Kiel (taz) – Mit jeder Flut schwappen jetzt Hunderte von Giftbeuteln an Schleswig-Holsteins Küste. Bis gestern mittag wurden nach Angaben des Kieler Umweltministeriums über 900 Beutel des hochgiftigen Pflanzenschutzmittels Apron plus an den Stränden gefunden. Eine Ende der Giftbeutelflut ist nicht in Sicht.

Die meisten der Giftpäckchen wurden bisher an den Stränden bei St. Peter Ording gefunden. Rund 800 wurden dort gezählt. Der Bürgermeister des Badeortes hat inzwischen den Strand sperren lassen. Seit Dienstag früh ist auch der Fischfang vor der Westküste Schleswig-Holsteins vollkommen eingestellt. Boote würden seitdem nicht mehr ausfahren, so ein Sprecher des Kieler Landwirtschaftsministeriums. Aus den Niederlanden berichtete Greenpeace von toten Lummen, in deren Leber Apron plus nachgewiesen wurde.

Die in Schleswig-Holstein gefundenen Beutel werden vorerst bei den Ämtern für Land- und Wasserwirtschaft zwischengelagert. Die Herstellerfirma des Giftes, Ciba Geigy, habe die Entsorgung zugesichert, erklärte der Sprecher des Umweltministerium, Lars Müller. Das kann der Konzern verkraften. Er ist mit 2,94 Milliarden Dollar Umsatz (1992) der weltweit größte Hersteller für Pestizide, schreibt Greenpeace.

Die Kosten für die Suche nach dem Gift will das Land der französischen Reederei des Unglücksfrachters Sherbro in Rechnung stellen. Zahlen legen für Schleswig-Holstein noch nicht vor. Nach Angaben der niedersächsischen Umweltministerin Monika Griefahn kostet die Bekämpfung der Giftgefahr allein in Niedersachsen jeden Tag 100.000 Mark.

Der Streit um die Sperrung der Strände zwischen Landesregierung und Landräten sowie Kommunen dauert trotz der hohen Zahl der Giftfunde weiter an. Das Land fordert, die gesamte Küste von rund 1.000 Kilometern Länge vorsorglich aus Sicherheitsgründen zu sperren. Doch die Landräte weigern sich. Eine Sperrung habe nur Sinn, wenn sie auch überwacht werden könne. Punktuell soll gesperrt werden, wo die „Massen ankommen“, wie in St. Peter Ording. „Die Bürger sind mündig genug, sich an Warntafeln zu halten“, meint Norbert Arens, Sprecher des Kreises Dithmarschen.

Erst wenn Katastrophenalarm gegeben werde, könne das Land die Kreise anweisen, erklärte dazu Müller in Kiel. Und weiter: „Wir können den doch nicht auslösen, nur damit wir die Weisung geben können.“ Kersten Kampe