■ Der Präsident Weißrußlands ist gestürzt
: Auf dem Weg zu Mütterchen Rußland

In einem Handstreich ist es Premier Kebitsch gelungen, sich fast aller Widerstände gegen seine Linie zu entledigen: Weißrußland kehrte nach einem anderthalbjährigen Intermezzo mit seiner Kupon-Übergangswährung in die Rubelzone zurück, wichtige innerparteiliche Gegner wurden geschaßt, und Parlamentspräsident Schuschkjewitsch, Schutzpatron der kleinen nationalen Opposition und stets verläßlicher Bündnispartner Jelzins, wurde abgewählt. Der Heimkehr Weißrußlands zu Mütterchen Rußland steht nichts mehr im Wege.

Es ist kein zufälliges Zusammentreffen, daß sich Kebitschs prorussische Linie in Minsk ausgerechnet zu dem Zeitpunkt durchsetzt, an dem in Moskau die Gegner marktwirtschaftlicher Reformen die Oberhand gewinnen. Reformpolitiker in Moskau waren von jeher dagegen, Weißrußland im Hauruck-Verfahren in die Rubelzone aufzunehmen. Da die weißrussische Inflation ein Vielfaches der russischen beträgt, wird Rußland sie nun importieren müssen. Die russische Wirtschaftspolitik wird imperialen Zielen untergeordnet. Auch Weißrußlands Kommunisten haben den Zeitpunkt für ihre Palastintrige genau richtig gewählt: Für eine Integration mit Rußland agitierten sie immer nur dann, wenn dort Jelzin-Gegner und reformfeindliche Politiker Oberwasser hatten.

Das Minsker Szenario – zwei Monate vor den Neuwahlen zum weißrussischen Parlament – zeigt, daß es keiner Schirinowski-Tiraden, Militärputsche und Bürgerkriege wie in Georgien bedarf, um das sowjetische Imperium unter Rußlands Führung wiederauferstehen zu lassen. Man tut gut daran, das in Erinnerung zu behalten – Ende März finden in der Ukraine Parlamentswahlen statt, und Ende Juni wird dort ein neuer Präsident gewählt. Wirtschaftlich und politisch ist die Ukraine weit instabiler als Weißrußland: An fast jeder Grenze machen sich separatistische Tendenzen und Nationalitätenkonflikte bemerkbar, die Hyperinflation hat zu einer beispiellosen Verschuldung bei Rußland geführt, dem Land droht das Zerbrechen in einen prorussischen Osten und einen nationalistischen Westen. Das Interesse Westeuropas und der USA hat sich bisher allenfalls noch darauf konzentriert, Kiew seine Atomwaffen abzuringen.

Das westliche Interesse an Weißrußland war noch geringer. Osteuropas Kommunisten und Rußlands imperiale Nostalgiker haben mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß kaum jemand bereit ist, sich für die Erhaltung der Unabhängigkeit der nachsowjetischen Republiken zu engagieren. Alles andere ist die logische Folge dieser Erkenntnis und Stanislav Schuschkjewitsch ihr erstes Opfer. Klaus Bachmann