Erneut Bedenkliches

Die Berliner FDP leistet sich eine Frau als Fraktionsvorsitzende. Selber schuld. Denn folgerichtig gerät sie alsbald in jenen Sumpf aus Korruption, Führungsanspruch und weiblicher Ästhetik, in den auch die Berliner CDU durch die plissierten Garderobenrechnungen der Sabine Bergmann-Pohl gezogen wurde: Carola von Braun rechnete diverse Besuche beim Friseur über die Parteikasse ab und ward ungesäumt in Schwierigkeiten. In eben jener geschlechtsübergreifenden Politikerprosa, die uns immer wieder aus den Tälern des Tatsächlichen auf die Massive des Metaphorischen führt, sagte die Dame gestern, die Auseinandersetzung um ihren Kopfputz habe „Gräben durch die Partei gezogen, über die schnellstens Brücken geschlagen werden“ müßten, allerdings dürfe dies „keine Einbahnstraße sein“.

Dies ist wohl und wahr gesprochen. Entsprechende Äußerungen könnten von der Frage, was sich auf dem Kopf der Carola von Braun befindet, zu jener überleiten, was darin noch Raum und Welle finden mag, lenken aber vom feministischen Gehalt unseres heutigen Meinungsbeitrages ab: Denn solange Frauen ihre politische Karriere durch die falsche Frisur ruinieren können (warum ist Irmgard Schwaetzer Ministerin, Jutta Dithfurt aber nicht mal mehr Parteimitglied?), solange Männer ihre Kolleginnen nach dem Format ihrer sekundären Geschlechtsorgane beurteilen, ihrerseits aber immer noch im Stehen pinkeln, solange Frauen nicht ebenso glatzköpfig, schmerbäuchig und gamsbartig erfolgreich sein können wie Männer, sollen sie doch auf Kosten des Patriarchats zum Friseur gehen können, bis alle deutschen Flüsse Chemietransportunternehmen geworden sind! Das finden wir und sagen's ungescheut, obwohl uns von berufener Seite die Einschätzung zugetragen wurde, Frau von Brauns FDP- Frisur sähe aus wie durch den Windkanal gezogen: Aber was macht das schon. In Wackersdorf wird bald der teuerste Zaun der Weltgeschichte (die Mauern veranschlagen wir hier nicht) eingerissen, damit ein namhafter Automobilhersteller auf selbigem Gelände nach der verlorenen Wiederaufbereitungsschlacht seine phallokratischen Umweltvernichter lackieren lassen kann. Es ist von einer Menge Arbeitsplätzen für die strukturschwache Region die Rede, aber wir hier in der Redaktion – und auch Sie, wenn Sie ehrlich sind und sich Mühe geben – ahnen doch schon, daß es sich um männliche Arbeitsplätze handelt, und daß der Chef von allen seinen Friseur nicht abrechnen muß, weil er längst schon keinen mehr braucht. Und da sollen wir Frau von Braun auf den ondulierten Scheitel spucken, wenn doch nach wie vor Männer die entscheidenden Fehler und überhaupt fast alles machen? Und Sie finden, das eine habe mit dem anderen gar nichts zu tun? Aber ja doch: Denn hinter jeder erfolgreichen Frau steht noch immer ein starker Friseur. ES