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■ StadtmitteIm Namen der Straße

Eigentlich kann man mit dem Ergebnis der Arbeit der unabhängigen Kommission des Verkehrssenators zur Umbenennung Ostberliner Straßennamen nur zufrieden sein: Die öffentliche Diskussion um Berlins Straßennamen hat wieder begonnen. Das ist zwar nicht das Ergebnis, das man sich von dem Gremium versprach, aber immer noch besser als die Vorschläge, die es uns jetzt präsentiert hat. Deren Einseitigkeit beweist nur die Unabhängigkeit der Kommission vom derzeit in Berlin regierenden Parteienproporz.

Als Sozialdemokrat sehe ich mich dabei jedenfalls nicht repräsentiert. Und selbst in der Berliner CDU dürfte es wohl keine einhellige Zustimmung zum nationalkonservativen Zuschnitt der Namensgebung der Juroren geben.

Das mag Unfähigkeit oder Arroganz sein, einem politischen Ukas durch die Große Koalition entspringt das jedenfalls nicht. Diesem Popanz jagte in der letzten Woche an gleicher Stelle Herr Zotl hinterher. Der alte Klassenkämpfer muß einen IM in der Kurie haben, oder woher hat er sein Wissen um den „sanften Orgasmus eines Kardinals“? Wir dürfen auf weitere von Zotls Zoten hoffen.

Der Streit geht also weiter. Und sollte der Verkehrssenator die Vorschläge der Kommission in den Senat bringen, wird auch dort zu streiten sein. Entschieden ist jedenfalls noch nichts.

Wenn ich mir die Vorschlagsliste ansehe, ist das für mich nur die Fortsetzung der Politik der SED mit anderen Mitteln und Namen. In der DDR wurde ja mit den Jahren jeder Feldweg nach irgendwelchen sozialistischen Helden und verdienten Spitzenfunktionären benannt. Daß darunter auch ehrenwerte Leute wie Rosa Luxemburg waren, ist eher ein historischer Zufall.

Waren es früher Kommunisten oder deren vermeintliche Ahnen, so dürfen es heute preußische und deutsche Staatsdiener sein – ziemlich langweilig, wäre es nicht ernst gemeint und mit soviel Aufwand betrieben. So aber müssen wir in öffentlicher Debatte dafür sorgen, daß auf den Straßenschildern unserer Stadt deren sehr widersprüchliche politische Vergangenheit und vielfältige demokratische Tradition erhalten bleibt. Und Leute wie Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und andere Linke gehören unbedingt dazu.

Ich bin dafür, das Ganze sehr sparsam zu handhaben, sowohl das Ändern von Straßennamen wie das Benennen von Straßen nach Personen. Beides sollte nur geschehen, wenn es einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die Notwendigkeit dazu gibt. Diesen Konsens nicht gesucht oder beachtet zu haben, ist die eigentliche Fehlleistung der Kommission. Thomas Krüger

Der Autor gehört der SPD an und ist Senator für Jugend und Familie.

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