Scheidung auf ägyptisch

Im Juni letzten Jahres erfuhren die Eheleute Ibithal und Nasser Abu Zeid aus der Zeitung, daß sie geschieden werden sollten. Ein frommer Rechtsanwalt hatte bei einem ordentlichen ägyptischen Gericht die Scheidung beantragt. Die Begründung: Nach islamischem Recht sei die Ehe einer Muslimin mit einem Abtrünnigen ungültig.

Am Donnerstag hat das Bezirksgericht von Gizeh die Scheidungsklage nach mehrmaligem Aufschub zurückgewiesen. Die Anklage war im Namen Gottes und der „Gemeinschaft der Gläubigen“ erhoben worden, zum Schutz der moralischen Werte des Islam. Eine „Dawa-Al-Hisbeh“ heißt das im islamischen Recht.

Nasser Abu Zeid und seine Frau hatten die Sache zunächst für einen Scherz gehalten. Ein Bekannter hatte ihnen erzählt, daß „Agadati“, eine islamische Zeitung, die im staatlichen ägyptischen Ahram- Verlag erscheint, von einem Scheidungsverfahren gegen Nasser Abu Zeid berichtet hatte. Die Betroffenen konnten erstaunt feststellen, daß ihr Fall bereits ein Aktenzeichen besaß und ein Termin für die erste Sitzung festgelegt war.

Der Name Nasser Abu Zeid ging seit Monaten durch die Zeitung. Im Dezember 1992 hatte der Berufungsausschuß an seiner Fakultät sich geweigert, ihn zum ordentlichen Professor für arabische Sprache an der Kairoer Universität zu berufen. Nicht wissenschaftliche Gründe, sondern Argumente, die an die kirchliche Inquisition des Mittelalters erinnerten, waren ausschlaggebend: Der Wissenschaftler versuche, das Transzendentale der heiligen Texte zu rationalisieren; er vertrete also eine Lehre, die von der Gesellschaft abgelehnt würde, hieß es in dem Gutachten von Professor Abdel Sabur Schahin. Mit der unterstellten Wechselwirkung zwischen göttlichem Text und menschlicher Gesellschaft hätte Nasser Abu Zeid den Menschen auf eine Stufe mit Gott gestellt – und damit Gotteslästerung betrieben. Nasser Abu Zeid versteht sich dabei selber nicht einmal als Säkularist oder gar als Atheist; er sucht nur nach einer zeitgemäßen, rationalen Islam- Interpretation.

Das Urteil von Gizeh läßt die ägyptischen Intellektuellen erst einmal aufatmen, die schon befürchteten, daß hier ein verhängnisvoller Präzedenzfall geschaffen werden sollte. Die Akte Nasser Abu Zeid ist aber längst nicht geschlossen. Noch ist das letzte Wort über das Beförderungsverbot nicht gefallen. Und kürzlich wurde auf dem Flughafen von Kairo eine Ladung seines Buches „Mafhum Al-Nass“ („Die Bedeutung des Textes“), das in Beirut neu aufgelegt wurde, beschlagnahmt. Es gebe einen Beschluß der Azhar-Universität, der höchsten islamischen Autorität Ägyptens, dieses Buch zu verbieten, hieß es seitens der Zensurbehörden auf dem Flughafen.

Jüngste Nachricht: Ende letzter Woche hat ein ägyptischer Parlamentsabgeordneter die Wiederaufnahme des Scheidungsverfahrens gefordert. Ivesa Lübben/Foto: Navid Kermani