: Wider die korrupte Provinz
■ Kostenaufwendige parteiinterne Rivalitäten können nun nicht mehr innerhalb eines Wahlkreises ausgetragen werden
Die Titanenkämpfe innerhalb einzelner Wahlkreise gehörten bislang zum besonderen Markenzeichen japanischer Wahlen. So trat in der nördlich von Tokio gelegenen Provinz Gunma seit den fünfziger Jahren der ehemalige Premierminister Takeo Fukuda gegen seinen späteren Nachfolger Yasuhiro Nakasone an. Zur Würze der Familienfehde trug bei, daß beide Politiker derselben Partei, nämlich der bis zum letzten Jahr allmächtigen LDP, angehörten.
Immer wieder maßen die Kommentatoren dem Wahlausgang in Gunma nationale Bedeutung bei, weil sich ihnen sonst kaum eine Chance bot, die Kräfte der Clanführer, die hinterher um das Amt des Regierungschefs buhlten, im direkten Wählertest vergleichen zu können. Das wiederum ließ unerhörte Geldsummen nach Gunma fließen. In der gemütlichen Provinzhauptstadt Takahashi mußte bald jeder Superschnellzug nach Tokio halten. Nichts ließen die Herren Fukuda und Nakasone unversucht, um ein oder zwei Wähler mehr zu bekommen. Dabei zogen sie beide jedes Mal mit großem Abstand vor der Konkurrenz ins Parlament ein, weil in ihrem Wahlkreis insgesamt drei Mandate zu vergeben waren.
Doch mit diesem politischen Theater, bei dem Millionen an Steuergeldern für namenlose Provinzstädte und bevölkerungsarme Bergdörfer verpraßt wurden, nur weil ein oder zwei berühmte Politiker dort einmal geboren wurden, will das neue Wahlgesetz nun Schluß machen. Das Mehrheitswahlrecht in den Provinzwahlkreisen soll klare politische Fronten schaffen: Da nur einer nach Tokio zieht, kann jede Partei pro Wahlkreis nur noch einen Kandidaten aufstellen. Die Rivalitäten innerhalb der großen Parteien können nicht mehr innerhalb eines Wahlkreises ausgefochten werden. Außerdem benötigen die Kandidaten im Kampf um einen ersten Platz mehr Profil als in den alten Wahlkreisen mit mehreren Mandaten. „Bisher konnten bei uns nur die Söhne bekannter Politikerfamilien oder Ministerialbürokraten in Tokio Abgeordnete werden“, so die Tageszeitung Asahi Shinbun.
Gleichwohl überläßt das neue japanische Wahlgesetz nicht alles dem neuen Mehrheitswahlrecht. Zwei Fünftel der Abgeordneten werden mit der Zweitstimme gewählt, die der Wähler für eine Parteiliste abgeben muß. Damit bleibt auch den kleinen Parteien eine Chance zum Einzug ins Parlament, die dabei nur eine Zweiprozent- hürde nehmen müssen. Dennoch haben Kritiker des neuen Wahlrechts vor allem auf die schlechtere Ausgangsposition für kleine Parteien und Minderheitspositionen verwiesen, die im konsensbetonten Japan ohnehin einen schweren Stand haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen