Bauer Ewald der Gewaltige

■ Auf Verkaufsfahrt zur Befruchtung der Tierhaltung: Wie ein Prospekt im Rausch der Sprache versank

Schon in der ersten Post des vergangenen Donnerstages lebte die Ahnung, dies sei evtl. der Tag, an dem das gänzlich Überirdische herniederfahre. Aus Scheeßel erreichte uns ein Fax im Zusammenhang mit dem Bau der neuen Veerse-Brücke zwischen Bartelsdorf und Scheeßel: AktivistInnen blockierten als 10 Meter langer Baumstamm verkleidet kurzzeitig die jetzige Veerse-Brücke. Anschließend zog der „Baum“ durch Scheeßel und verteilte Handzettel. „Wehe!“ riefen da die ersten Verzagten, aber vergeblich: Wenig später meldete die Universität, daß in der Reihe „Eine Uni für alle“ der Vortrag von Prof. Dr. Martin Olesch zum Thema Zerfall des Superkontinents Gondwana wegen Krankheit ausfallen müsse.

Da war kein Halten mehr, und viele weinten vor Rührung und fielen einander um den Hals, da doch der Mitmensch sich als 10 Meter langer Baumstamm verkleidet und seine Superkontinente „Gondwana“ nennt, und lind umfächelten uns die Lüftchen des Wahns, bis plötzlich ein donnernd Sturmgebraus sich erhob: Dies aber war der Bauer Ewald.

Sowas hat die Welt noch nicht gesehen! brüllte es uns entgegen von einem grünlichbunten Prospektblättchen, welches eine weitläufige fabrikähnliche Anlage zeigte. Der Prickingshof der Bauernhof von dem die Welt spricht liegt in Westfalen (im schönen Münsterland) er wurde oft kopiert und nie erreicht, so lärmte es sonder Punkt noch Komma weiter, und unterhalb lachte unbezwinglich Bauer Ewald mit dem schwersten Zuchtbullen der Welt und begrüßte uns zu einer Tagesfahrt der Extraklasse für alles inclusiv DM nur 23,90, und pfundweise Wurst noch obendrein.

So fing es an, und Bauer Ewalds Lächeln wußte längst, daß es nur noch voranstürmen konnte ins endgültig Maßlose: Und siehe, schon fiel der Prospektdichter in süßen Taumel und posaunte inniglich von der gewaltigen Tierschau des Prickings-Hofes, wo täglich jeder Besucher die Fütterung und Pflege, die Befruchtung und Geburt der bäuerlichen Tierhaltung miterleben kann, und während uns Lesern noch die Vorstellung erstrahlte, wie des Abends Bauer Ewald noch einmal durch die Stallungen schlurft und der bäuerlichen Tierhaltung behagliche Worte wie „Hou, Liesel!“ oder „Brav, Scheck!“ zuruft, zappelte der Dichter schon in seinem Rausche und pries den ersten Rhododendron- und Rosenpark der Bundesrepublik Deutschland mit Gedenk-, Erholungs- und Besinnungsstätten sowie einem Freiwildgehege, Kinderspielwiese mit Reit- und Streicheltieren und die freilaufende bäuerliche Nutztierhaltung mit dem schwersten Zuchtbullen der Welt, so jubelte der Dichter, um sich vollends in cherubinische Höhen emporzuschrauben: All diese verschiedensten Tiere, mehr als Hundert an der Zahl, werden ganzjährig in Gottes freier Natur wie bei unseren Vorfahren hinter Hecken und Hütten gehalten. Am Anfang des Parkes steht das Kaiser- Heinrich-Denkmal und die Muttergottes- Kapelle.

Da hast du, Mensch, die ganze Welt, die Lage und die Situation in einem. Kann mehr gesagt werden, als hier gesagt ist? Es kann, es muß, es wird, weil ja weiterhin jeder Besucher seine Würste haben will. Da bleibt es nicht aus, daß Bauer Ewald ab und zu seine Nutztierhaltung hinter ihren Hecken und Hütten hervorholt und das Messer aus der Joppe zieht. Es ist aber ein schöner Tod, denn schon springt der Dichter herbei, ihn zu beglänzen: Aus eigener Zucht, Mast- und Getreideanbau wird unser Vieh im hofeigenen Schlacht- und Wursthaus zubereitet, so liest man, aufs Innerlichste bewegt und deutlich vor Augen, wie Bauer Ewald aus eigenem Mast- und Getreideanbau sein Vieh zubereitet, und fast scheint's am Ende, als ob uns diese sternenklaren Worte alleweil Bauer Ewald selber sänge.

Wer sonst könnte jedenfalls einen so bäuerlich liebreichen Ausklang finden: Denken Sie daran, auf unserem Bauernhof befindet sich die größte bäuerliche Speisewirtschaft der Bundesrepublik Deutschland mit ihren weltbekannten bäuerlichen Riesenmahlzeiten. Einen Tag vor der Abreise wenig essen!

Manfred Dworschak