Ein "Büro" gegen Bürokratie

■ Zwei Berliner Studentinnen betreiben die einzige alternative Agentur für künstlerische Finanz- und Projektberatung / Vorurteile zwischen Künstlern und Geschäftsleuten beseitigen

Dutzende von Kartons, gefüllt mit kitschiger Keramik, erschweren dem Besucher den Zugang zu einer Agentur, die „echte Kommunikation“ betreiben will. In einem Hinterhof in Berlin-Mitte residiert eins der innovativsten Kulturprojekte der Stadt. Die Lagerkartons haben nur insofern mit Kunst zu tun, als daß sich die Inhaberinnen Mareike Dittmer (20) und Agnes Wegner (27) die zwei winzigen Räume mit einem portugiesischen Handelsvertreter und dessen Lagerkartons teilen.

Den beiden Studentinnen geht es um Kunst, Künstler und Kohle. Dittmer und Wegner betreiben das einzige alternative Büro für künstlerische Finanz- und Projektberatung. Geboren wurde die Idee zur Gründung eines Büros vor einem dreiviertel Jahr. „Künstlerische Projekte werden im Westen ja nicht von einer zentralen staatlichen Institution, sondern von Dutzenden von Behörden, Stiftungen und Firmen gefördert“, so die gebürtige Cottbusserin Mareike Dittmer. Das bei einer Bank als Azubi erlernte kaufmännische Know-how hilft ihr, „Künstlern, besonders denen aus dem Osten, die mit dem westlichen Bürokratie-Dickicht nicht zurechtkommen“, eine Orientierung zu geben. „Also wollten wir eine zentrale Stelle zur Koordination der Förderungsmöglichkeiten schaffen.“

Im Juni 1993 dann, nach hitzigen Diskussionen mit Künstlern, Machern und Mäzenen, gründete Mareike Dittmer zusammen mit der Galeristin Agnes Wegner das „Büro“. „Alternativ“ ist die Institution, weil kein mächtiger Sammler oder Sponsor seine schützende Hand über die beiden Betreiberinnen hält. Und trotzdem konnte das Büro schon erstaunliche Erfolge verbuchen. Nach nur wenigen Monaten Anlaufzeit nutzen bereits über zwanzig Künstler den Agentur-Service des Büros, lassen von dort ihre Termine planen, Copyrights überwachen und Honorarforderungen abwickeln.

Dittmer und Wegner verhandeln ständig mit dem Senat über die Förderungswürdigkeit von Ausstellungen und Performances. Büroeigene Ateliers werden projektgebunden an junge Maler vermietet. Ein guter Kontakt zur Wohnungsbaugesellschaft Mitte verhilft so manchem Kunstschaffenden zu einem Dach über dem Kopf.

Das bisher größte Projekt der Agentur: Zusammen mit Philipp von Doering und Patricia Bisci eröffneten Dittmer und Wegner Anfang Dezember die Ausstellung „Allegorie de la Richesse – Barock und Kunst der Gegenwart“ mit Werken von Daniel Buren (Frankreich), Marcel Odenbach (Deutschland), Maria Wirkkala (Finnland) und Swetlana Kopistianski (Rußland). Die „Allegorie“ wird von Berlin aus nach Rom und Paris gehen. Keine schlechte Bilanz für eine Zeit, in der die Kunst der Krise weicht.

Die Galeristin Wegner versucht sich nach den ersten neun Monaten an einem vorsichtigen Resümee: „Galeristen und Mäzene akzeptieren uns als kundige Projektmacher. Oft werden wir von Sammlern gefragt, welcher Maler denn Zukunft habe. Gerade kleine Unternehmen stehen unseren Vorhaben recht aufgeschlossen gegenüber, wenn deren Mittel und Möglichkeiten auch sehr begrenzt sind.“ Zudem müsse, so Mareike Dittmer, „ein grundsätzliches Problem ausgeräumt werden: Echte Kommunikation zwischen Künstlern und Geschäftsleuten findet kaum statt. Auf beiden Seiten müssen viele Vorurteile ausgeräumt werden.“ Genau deswegen gibt es das „Büro“. Thymian Bussemer