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Tod im Rinnstein

■ Prozeßbeginn: Keine Zeugen für Schießerei

Drei Schüsse am Abend des 4.7.1990, einer davon war tödlich für Emin B. Der Mann verblutete im Rinnstein in der Brinkstraße im Osterfeuerbergviertel. Drei Schüsse, die Talip E. abgegeben haben soll, Schüsse, die im zusammenhang mit Drogengeschäften gefallen sein sollen, mutmaßen die Verfolgungsbehörden. Gegen ihn war Haftbefehl erlassen worden. Nach dem 4.7.90 war Talip E. verschwunden, mehr als drei Jahre lang, bis er im September letzten Jahres festgenonmmen werden konnte. Seitdem sitzt er in U-Haft, gestern begann der Prozeß

Talip E. sitzt im Gerichtssaal, als ginge ihn die Veranstaltung um ihn herum nichts an. Er verweigert jede Aussage. Und je länger der erste Verhandlungstag dauert, desto wackeliger erscheint die Anklage. Der Vormittag ist ganz für den Hauptbelastungszeugen reserviert, den Bruder des Erschossenen. Doch der erscheint erst gar nicht, er ist nicht auffindbar. Und am Nachmittag erscheinen drei ZeugInen, die entweder von vornherein nichts gesehen haben, oder heute, nach mehr als drei Jahren von einer Erinnerungslücke in die nächste fallen.

Zwei Männer hätte sie von ihrem Küchenfenstern aus dealen sehen, erzählt eine Zeugin. Dann sei einer weggegangen und kurz darauf sei ein dritter gekommen. Den habe sie kurz vorher vor ihrem Küchenfenster vorbeigehen sehen. Der habe drei Schüsse abgegeben, erinnert sich die Frau. Aber ganau gesehen, nein, hat sie das alles nicht. So verwandeln sich Aussagen, die vor drei Jahren konsisitent schienen in wächserne Gebilde, die die kleinste Frage der beiden Anwälte im Nu zum Schmelzen bringt: „So genau weiß ich das heute nicht mehr.“ Davon, daß eine der Zeuginnen den Angeklagten als den Täter wiedererkannt haben will, davon war schon gar nicht mehr die Rede.

Der Prozeß wird am kommenden Dienstag fortgesetzt. J.G.

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