„Aber ich mußte doch Geld beschaffen“

■ Betrug mit Spenden: Prozeß gegen den Chef des „Kinderhilfswerks Afrika“

Unfaßbar. Richter und Staatsanwalt schüttelten gestern immer wieder die Köpfe, als sie den Ausführungen des 68jährigen Hans-Dieter Mehl folgten. „Also hab' ich das auch falsch gemacht“, pflegte der Kaufmann stets zu sagen, wenn Richter Brüchner ein neues Beweisstück verlas, das ihn des Betruges überführte. „Aber ich mußte doch Geld beschaffen, da mußte doch geworben werden.“ Fazit von Staatsanwalt Koepnik: „Der Angeklagte ist geständig, aber in keiner Weise einsichtsfähig.“

Um was es geht? Zunächst um Postkarten mit Malereien von Kindern aus Ghana. Nachdem Allround-Talent Mehl 1983 das Familienunternehmen „Kinderhilfswerk für Afrika“ gegründet hatte - Gründungsmitglieder waren fast ausschließlich Verwandte -, sah er im Vertrieb dieser Kärtchen eine Möglichkeit, an Geld zu kommen. Bis heute, so hat die Staatsanwaltschaft ermittelt, wurden mit Hilfe einer Drücker-Organisation für eine Million Mark Karten verkauft. Nur 61.000 Mark davon gingen als Spenden ans „Kinderhilfswerk“, 270.000 Mark behielt Mehl.

„Das mit den Karten war ein Fehler“, verteidigte sich der Angeklagte, der bis heute Vorsitzender der dubiosen Organisation mit Sitz in Norderstedt ist, die immer noch monatlich 40.000 bis 70.000 Mark Spenden einnimmt und zwei- bis dreihundert „Patenschaften“ betreut. Er habe in Afrika „an der Basis“ gearbeitet und mit den Machenschaften der Verkaufsorganisation von Christian und Clemens Koch nichts zu tun, behauptete der Angeklagte zunächst. Für einen Preis von 4,50 Mark hatte er diesen über 50.000 Zwölfer-Packs der Postkarten überlassen. Die Verkaufskolonnen der Kochs schlugen sie für 19,80 Mark los. Da beim Käufer an der Haustür der Eindruck erweckt wurde, es handele sich um eine Gesamtspende, steht Mehl nun vor dem Kadi. Und wegen Veruntreuung von insgesamt 209.000 Mark Spenden in neun weiteren Fällen. Da sollen Reisekosten für seine Ghana-Besuche gefälscht und Dachbleche nicht für den Bau einer Klinik, sondern für ein Privathaus beschafft worden sein. Statt 5000 Dollar in eine Hühnerfarm zu investieren, soll Mehl seiner Freundin Schnitzereien gekauft haben.

Von den Dachblechen profitierte übrigens jener Mitarbeiter, der in einem der „Tätigkeitsberichte“ des Hilfswerks als „Doktor“ ausgewiesen wurde. In Wirklichkeit ist er Schweißer. Auch eine abgebildete „Schwester“ ist keineswegs Krankenschwester - Mehl: „Die nennen sich dort doch alle Brüder und Schwester“.

Die Tätigkeitsberichte gehörten zusammen mit „Gesprächskonzepten“ zu dem hilfreichen Infomaterial, mit dem Mehl die Verkäufer versorgte. Unter der Überschrift „Wo bleiben die Spenden“ behauptet der Organisations-Chef dort dreist: „Wir lassen uns turnusmäßig von einem staatlich zugelassenen Buchprüfungsbüro kontrollieren“. Und weiter: „Wir haben es schriftlich, daß 95 Prozent Ihrer Spenden den Zwecken zugeflossen sind“. Das sei so geplant gewesen, verteidigte sich der Angeklagte, nachdem er eingeräumt hatte, daß sich hinter dem „Buchprüfungsbüro“ seine Steuerberaterin verbirgt.

Seit 1986 hat die Staatanwaltschaft an der Anklage getüftelt und Waschkörbe von Akten gehortet. 18 Verhandlungstage wurden angesetzt. Doch nach dem ersten Tag ist die Luft raus. Weil der Angeklagte sich geständig zeigt, beantragte Staatanwalt Koepnik die Einstellung der neun Einzelveruntreuungen. Wegen des Postkarten-Betrugs wird vermutlich heute das Urteil gesprochen. „Es wäre gut, wenn Sie ihre Arbeit im Kinderhilfswerk einstellen“, riet der Richter dem Angeklagten zuletzt. kaj