Kitaplätze für alle? Im Prinzip ja...

■ Die Vollversorgung mit Kindergartenplätzen wird im Westen noch einmal verschoben

Mainz (taz) – Radio Eriwan muß das ungenannte Vorbild für das Kommuniqué der gestrigen Jugendministerkonferenz in Mainz gewesen sein. „Im Prinzip ja“, ist die Antwort auf die Frage, ob die gesetzliche Zusicherung, nach der jedes Kind ab drei Jahren ab 1. 1. 1996 einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz hat, diesen auch realisieren kann. Denn tatsächlich wahrnehmen können werden diesen Anspruch nur die Kinder in den neuen Bundesländern. Trotzdem beschlossen die versammelten Minister und Ministerinnen mit 14 Stimmen – bei zwei Enthaltungen von Bayern und Thüringen –, am Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz mit Stichtag 1. 1. 1996 festzuhalten. Doch gleichzeitig wurde den Ländern, die noch weit von einem hundertprozentigen Versorgungsgrad mit Kindergartenplätzen entfernt sind, in der Entschließungsvorlage eine Übergangsfrist bis zum 1. 8. 1998 eingeräumt – wenn sie zum Stichtag 1. 1. 1996 verbindliche Pläne zur Sollerfüllung vorlegen können. Die Kindergartengarantie war Bestandteil des Pakets zur Veränderung des Paragraphen 218, der gestern in modifizierter Form erneut im Bundestag beraten wurde.

Vier „Eckpunkte“ zur Umsetzung des im Paragraphen 24 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes verankerten Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz benannte auf der Pressekonferenz der LänderministerInnen im Anschluß an die Konferenz die saarländische Jugendministerin Christiane Krajewski: Zum einen dürfe die Vollversorgung nicht zur Beeinträchtigung „pädagogischer Standards“ führen. Weiter soll der Rechtsanspruch auch durch ein anderes Betreuungs- und Förderangebot für Kinder erfüllt werden können. Und dort, wo der Rechtsanspruch zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht erfüllt werden kann, seien die Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, einen „regionalen Jugendhilfeplan mit verbindlichen Ausbaustufen“ vorzulegen. Und last, not least soll für eine Übergangszeit bis zur Vollversorgung sichergestellt werden, daß Kinder in besonderen sozialen und individuellen Lebenslagen vorrangig in den Kindergarten aufgenommen werden.

Während in Rheinland-Pfalz und im Saarland die Vollversorgung mit Kindergartenplätzen fast gewährleistet ist, hinken vor allem die Flächenländer Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen noch erheblich hinter dem Sollstand her. In „Neufünfland“ stehen dagegen zwar ausreichend Hort- und Krippenplätze zur Verfügung. Doch die Bausubstanz ist marode. Trotz größter Anstrengungen vieler Länder und Kommunen, so Ministerin Krajewski, fehlten bundesweit noch immer 600.000 Kindergartenplätze. Sollte die Vollversorgung zum Stichtag erreicht werden, müßten auch 40.000 bis 50.000 zusätzliche pädagogische Kräfte eingestellt werden. Doch wer soll das bezahlen? Der aus Bonn angereiste Staatssekretär aus dem Merkel-Ministerium jedenfalls hatte keine müde Mark zum Verteilen dabei. Trotzdem rechnen die MinisterInnen nicht mit einer Klagewelle frustrierter Eltern, die 1996 keinen Platz für ihren Nachwuchs bekommen. In Reinland-Pfalz, so Minister Galle, sei nach Einführung eines Rechtsanspruchs niemand zum Gericht gelaufen, obwohl es noch lokale Engpässe gebe.

Bei der gestrigen ersten Lesung eines neuen Paragraphen 218, dessen Neuformulierung nach der Ablehnung des Allparteiengesetzes durch das Bundesverfassungsgericht im Mai letzten Jahres notwendig geworden war, gab es heftigen Streit zwischen Koalition und SPD. Beide warfen sich vor, die Vorgaben aus Karlsruhe nicht eingehalten zu haben. kpk

Tagesthema Seite 3