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Kein schöner Land

■ Durch eine neue EG-Verordnung fürchten Biobauern Konkurrenz

Der Käse vom Adolphshof schmeckt wie eine Brise frischer Landluft: herb, würzig, unverfälscht. Die runden Laibe, in der hauseigenen Käserei selbst hergestellt, warten neben Eiern, Getreide, Obst, Gemüse, Eingewecktem, Säften und vielem anderen auf KundInnen aus der Umgebung. Der kleine Demeter-Laden gehört ebenso wie eine Mühle und eine Bäckerei zum Gut am Ortsrand von Lehrte-Hämelerwald, knapp vierzig Kilometer von Hannover entfernt. „Unsere 160 Hektar könnten 400 Familien mit Grundnahrungsmitteln versorgen“, erzählt Angelika Güntzel, Hauswirtschaftsmeisterin im Gut.

Doch seit Inkrafttreten der EG- Bioverordnung vor zweieinhalb Jahren droht sogenannte KBA- Ware, Erzeugnisse aus kontrolliert- biologischem Anbau, den Markt alternativ erzeugter Produkte zu überschwemmen. „Die EG-Bioverordnung enthält Vorschriften, die weniger streng sind als die Richtlinien der Anbauverbände. Dadurch können viele Landwirte, die bisher konventionell wirtschafteten, nach Einhaltung einer bestimmten Frist pflanzliche Lebensmittel aus kontrolliert-biologischem Anbau anbieten“, sagt Angelika Günzel. Die Folge: Der Konkurrenzdruck auf die Betriebe der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL), zu der in Niedersachsen vor allem demeter- und Bioland-Güter gehören, wächst – Pleitergeier über den Dächern der Höfe, das ist die Schreckensvision der Alt- Biobauern.

„Natürlich ist es wünschenswert, daß es immer mehr alternativ bewirtschaftete Felder gibt und sich möglichst viele Bauern entschließen umzusatteln“, meint Angelika Güntzel. Die Realität ist diesem Wunsch bereits voraus: Seit die europaweite Verordnung zu nationalem Gesetz wurde, nahm tatsächlich die Zahl der Biobetriebe in Niedersachen zu. Noch 1989 verzichteten 400 Landwirte auf chemisch-synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel, 1993 zogen bereits 1.000 Bauern ihr Gemüse, Obst und Getreide auf ungespritzten Feldern.

Allerdings sind die Neu-Biobauern nicht Anbauverbänden wie Demeter oder Bioland angeschlossen. „Wir konnten nur einen leichten Zuwachs von insgesamt fünf Betrieben verzeichnen“, so der Geschäftsführer des Bioland-Landesverbandes Niedersachsen, Axel Treptau. „Die Stimmung in der Landwirtschaft insgesamt ist schlecht. Und nun wird zusätzlich zu unseren Kontrollen die Einhaltung der EG-Verordnung durch unabhänigige Kontrollstellen geprüft – was der einzelne Landwirt aus eigener Tasche bezahlen muß. Außerdem ist der zusätzliche bürokratische Aufwand immens.“

Die von der Bezirksregierung eingesetzten Kontrollstellen – in Niedersachsen sind es insgesamt 15 – inspizieren alle Betriebe mit ökologischem Landbau mindestens einmal im Jahr. Die Größe des Unternehmens entscheidet über die Höhe der Gebühr. Für das Gut Adolphshof bedeutet das: 1.000 Mark mehr Kosten im Jahr, obwohl schon seit 40 Jahren nach den strengen Reglements des Demeter-Verbandes gearbeitet wird.

Auch der Referatsleiter für ökologischen Landbau im Landwirtschaftsministerium, Rudolf Ranzau, relativiert die Vorteile der EG- Bioverordnung: „Bis jetzt gibt es noch keine Vorschrift über tierische Produkte; die ist erst für 1996 geplant. Das bestraft natürlich die Alt-Biobauern, denn die dürfen ihre Tiere nicht mit konventionell erzeugtem, und damit billgem Getreide füttern – die füttern ihr teures Biogetreide.“

Trotz aller Bedenken – für die VerbraucherInnen ist es jetzt einfacher zu entscheiden, ob es sich bei Kartoffeln, bei Salat oder Birnen um Biolebensmittel handelt oder nicht. Monika Richter von der Verbraucherinitiative Hannover ist optimistisch, daß bald alle Pseudowaren aus den Regalen der Supermärkte verschwunden sind. „Das Begriffsknäuel ist einigermaßen entwirrt: Jetzt ist in allem, wo „ökologischer Anbau“ oder „Bio“ draufsteht, auch „Bio“ drin.“

Marita Vollborn

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