Nicht mal Pingpong-Bälle sind im Etat drin

■ Ein echter Schafskopf für den Jugendsenator oder: Kein Geld für Jugendclubs

Einen mediengerechten Auftritt hatte Jugendsenator Thomas Krüger im Kreuzberger Jugendzentrum „Chip“ erwartet. Der Berufsjugendliche, noch 34, sollte dort am Donnerstag abend ein besonderes Projektes vorstellen: Das erste „HipHop Mobil“ der Bundesrepublik.

Und dem Anlaß angemessen war der Saal voll. Doch bevor der Jugendsenator überhaupt zu Wort kommen konnte, gingen Licht und Tonanlage aus – aber nach kurzer Zeit wieder an. Grund der Störung: nicht ein technisches Problem, sondern der Unmut der LeiterInnen von Kreuzberger Jugendeinrichtungen über die Sparmaßnahmen in ihrem Arbeitsbereich. Sie hatten die Regler für Ton und Licht heruntergedreht und sich hinter Krüger postiert, um Dampf abzulassen.

Denn die Kreuzberger Jugendprojekte sind arm dran. Sie seien handlungsunfähig und könnten die Basisarbeit nicht mehr leisten, während Krüger hier „Bonbon- Projekte“ mit viel Publicity vorstelle, sagte Detlef Rohrbach, der Leiter des „Chip“.

Mitte Januar hat die Senatsverwaltung für Finanzen angeordnet: keine Gelder mehr für Sachmittel und Honorare von freien Mitarbeitern in Jugendeinrichtungen bis März dieses Jahres. Und Rohrbach machte dem Jugendsenator klar, welche Auswirkungen dieser Senatserlaß hat: Rund 80 Prozent der Jugendarbeit würden von Honorarkräften getragen. Nicht mal Pingpong-Bälle könnten sich die Einrichtungen erlauben, so Rohrbach.

Krüger gefror das Lächeln unter seinem gepflegten Rauschebart. Konsterniert blickte er ins Publikum und begann Allgemeinplätze zu fabrizieren. Es müßten doch alle sparen wegen des Haushaltslochs. Und die Berlinförderung sei doch weggefallen.

„Mich braucht Ihr nicht zu überzeugen, daß das Mist ist“, bemühte sich Jugendsenator Thomas Krüger, den ProjekleiterInnen Verständnis zu zeigen. Und dann wartete er mit einer Überraschung auf: Die Finanzverwaltung habe 7 Millionen Mark aus dem Sonderfonds „Jugend mit Zukunft“ freigegeben, die schon jetzt und nicht erst ab März den Jugendämtern zur Verfügung stehen, um die notwendigsten Anschaffungen zu ermöglichen. Er betonte immer wieder, daß man bei der Verteilung natürlich Prioritäten setzen müsse.

Prioritäten setzen heiße, so Stefan Greh, Leiter des Kindertreffs „Pauli“, zur taz, daß jeder Bestellschein doppelt so scharf geprüft werde. Diese Art der Finanzierung sei „Flickschusterei“. Das sei nicht nötig, wenn Krüger sich wirklich für die Interessen der Jugendeinrichtungen einsetzte. Was der Senat heute spare, werde er an den Folgekosten, wenn die Kids auf der Straße stehen und Randale machen, doppelt bezahlen.

Als Gegengeschenk für das „Finanzbonbon“ überreichten ihm zwei Mitarbeiterinnen des Kinderbauernhofs den Preis „Schafskopf des Jahres 1993“. Der Senator verließ das „Chip“: Mit HipHop könne er sowieso nichts anfangen. Zurück blieben der liebvoll in Silberfolie eingepackte Schafskopf. Und eine Schar verunsicherter und enttäuschter ProjektleiterInnen. Olaf Bünger