Ein Psychopath als Paketbombenmörder?

■ Gestern gegann in Freiburg der Prozeß im Mordfall Kerstin Winter / Die Linke war im Januar vergangenen Jahres bei einem Paketbombenanschlag getötet worden

Freiburg (taz) – Etwas mehr als ein Jahr, nachdem die 24jährige Kerstin Winter durch einen Paketbombenanschlag ermordet wurde, hat das Landgericht Freiburg gestern ein sogenanntes „Sicherungsverfahren“ gegen den der Tat verdächtigten 38jährigen Ex-Freund des Opfers eröffnet. Das Schwurgericht schloß sich damit vorläufig der Einschätzung der Staatsanwaltschaft an, daß gegen den Beschuldigten dringender Tatverdacht besteht, der Verdächtige wegen einer schweren psychischen Erkrankung aber sehr wahrscheinlich schuldunfähig ist. – Dementsprechend beantragte die Staatsanwaltschaft die Unterbringung des Fernmeldehandwerkers in einem psychiatrischen Landeskrankenhaus (PLK). Der 38jährige dagegen ließ über seinen Anwalt mitteilen, daß er die Anschuldigungen weiterhin „entschieden und mit persönlicher Empörung zurückweist“.

Seit seiner Festnahme im März des vergangenen Jahres ist der angeblich unter einer „paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie“ leidende Angeklagte im PLK Emmendingen interniert. Gegen ihn sprechen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft eine Reihe von Indizien. Die schwerwiegendsten: Er hatte ein Kabel mit dem gleichen Materialfehler wie ein zum Bombenbau verwendetes in einen Bach geworfen. Und mehrfach war in seinen persönlichen Aufzeichnungen der Begriff „Rim“ aufgetaucht – als Absenderangabe auf der Paketbombe hatte die Sonderermittlungsgruppe des Landeskriminalamtes (LKA) den Schriftzug „Mord Rim“ rekonstruiert.

Der Mord an Kerstin Winter, die am 22. Januar vergangenen Jahres beim Öffnen eines vor ihrer Wohnungstür abgelegten Pakets von der eingebauten Bombe getötet wurde, hatte deshalb für so großes Aufsehen gesorgt, weil sich die Krankenschwesterschülerin über Jahre hinweg in der linken Szene engagiert hatte. In autonomen Kreisen Freiburgs war nach dem Mord ein politisch motivierter Anschlag vermutet worden, eine eigene Ermittlungsgruppe brachte immer neue Spekulationen zur Stützung der Fascho-Anschlag- These in Umlauf und warf den LKA-Ermittlern Blindheit auf dem rechten Auge vor.

Tatsächlich leisteten sich die Fahnder einiges, was nicht dazu angetan war, das Vertrauen in ihre Arbeit zu stärken. Von Anfang an wurde die Möglichkeit eines politischen Anschlags ausgeschlossen. Auch wenn die Spekulationen aus der Autonomenszene nichts Handfestes erbrachten, und auch wenn die Ermittler später beteuerten, „eine Vielzahl von Spuren im Rechtsbereich abgeklärt zu haben“ – ein fader Beigeschmack blieb doch, als mit dem jetzt Beschuldigten ein Psychopath als Mörder präsentiert wurde. Da half auch eine weitaus schlüssigere als bei der ersten Verhaftung scheinende Indizienkette wenig. Vielleicht bringt der Prozeß, zu dem 48 Zeugen und neun Sachverständige geladen sind, mehr Licht in die Ermittlungen. Ulrich Fuchs