IG Metall übernimmt Nord-DGB

■ Bezirkskonferenz des DGB-Nordmark verzichtet auf eine Krisendebatte / IG-Metallerin Karin Roth wird neue Chefin Von Florian Marten

Laufen den Gewerkschaften die Mitglieder weg? Gibt es eine Sinnkrise des Dachverbandes DGB? Steckt der DGB in einer existenzbedrohenden Finanzklemme? Wie will der DGB-Nordmark in den nächsten 2 Jahren 20 Prozent seiner Stellen streichen? Wie sollen sich Einzelgewerkschaften und DGB künftig die Arbeit teilen? Welche Akzente will der DGB in den nächsten Jahren im Norden setzen? Wie soll die Strukturreform des DGB aussehen, für die jetzt die Weichen gestellt werden?

Wer befürchtet hatte, die Landesbezirkskonferenz des DGB Nordmark, immerhin höchstes Beschlußorgan des Dachverbandes von 560.000 DGB-Mitgliedern zwischen Stade und Flensburg, würde sich offensiv mit den eigenen drängenden Problemen befassen, wurde angenehm enttäuscht. Wie einst auf den Hamburger CDU-Parteitagen der Echternach-Ära schafften es die 63 Delegierten von 15 Einzelgewerkschaften am Samstag im Sachsenwald-Congress-Hotel zu Reinbek, den zahlreichen Gästen ein streifenfreies Bild außerordentlicher Geschlossenheit und Effizienz zu bieten. In nicht einmal 2 Stunden wurden Rechenschaftsbericht, Lagedebatte, Antragsdiskussion und die Neuwahl der Führungsspitze – gegenkandidatInnenfrei, versteht sich – abgehakt.

Wo früher erbitterte Debatten um Anträge und Positionen tobten, Delegierte in Vorgesprächen mauschelten und Fraktionen an Strategien bosselten, herrschte diesmal allenfalls gepflegte Langeweile. In ihrem kurzen Lagebericht streifte Neu-DGB-Chefin Karin Roth (gewählt mit 56 von 63 Stimmen) den Ernst der Lage nur am Rande: „Wir stehen vor schmerzhaften Einschnitten. Wir müssen alle sparen“. Der DGB sei „ein notwendiger, wenn auch nicht von allen geliebter Teil der Gewerkschaftsbewegung“. Der DGB brauche „eine neue Organisationsreform“, „neue Formen der Arbeit“ und „Mut zu Experimenten“. Mit einer „neuen Ethik der Verantwortung“ will Roth die Krise meistern. Das „wie“ überließ sie in trauter Eintracht mit den schweigsamen Konferenzteilnehmern (nur 20 Prozent Frauen) der Fantasie der ZuhörerInnen.

Für Aufregung sorgte allein Norddeutschlands mächtigster Gewerkschaftsboß, Frank Teichmüller. Der Nord-IG-Metall-Chef, der Karin Roth nach Hamburg holte, demonstrierte in mehreren Redebeiträgen einen unmißverständlichen Herr-im-Haus-Standpunkt und fiel in beißender Schärfe über DGB-Bundes-Chef Heinz-Werner Meyer und Hamburgs abwesenden ÖTV-Vorsitzenden Rolf Fritsch her. „Ich kann das weinerliche Gerede der Meyers und Fritsches oder wie sie alle heißen nicht mehr hören.“ Meyer hatte sich im Spiegel kürzlich ungeschminkt und defensiv über die katastrophale Lage der Gewerkschaften ausgelassen, Fritsch mehrfach die mangelnde Modernisierungsbereitschaft und den überfälligen Reformbedarf der Gewerkschaften thematisiert und für einen ehrlichen Umgang mit den Themen betriebsnaher Tarifpolitik, dem wirklichen Nutzen von Arbeitszeitverkürzung (im öffentlichen Dienst nahe Null) und den Beschäftigten-Wünschen nach Flexibilisierung plädiert. Teichmüller trotzig: „Uns laufen die Mitglieder nicht weg.“

Stille Skeptiker am Rande der Konferenz zuckten resigniert die Schultern: „Für das, was hier abläuft, interessiert sich doch kein Schwein mehr.“ Der DGB hielt wandplakatmäßig mutig dagegen: „Dabeisein Zukunft – Dialog mit Macht.“