Kahlköpfige Erotik

■ Auflösung der Geschlechterbilder in einer Performance von Bridge Markland

Eine kleine Gemeinde sitzt in der Grotte – rote Backsteine und rotes Schummerlicht um uns herum. Im Gewölbegang eine tigergemusterte Bettstätte, im Vorraum zwischen weiteren Tigerfellimitationen eine psychodelische Blasenlampe, außerdem ein Plüschteddy samt Knautschdino. Das Ambiente der Performance hat was; dazu paßt auch die leicht schleppend sprechende Männerstimme, die aus den Lautsprechern dringt. Englisch redet ER, redet vom Ertrinken im Duft irgendeiner vorübergehenden Frau.

Überraschend hat ihn dieses „Geschenk der Natur“ auf der Straße heimgesucht, er hat's genommen und genossen, seiner Phantasie freien Lauf gelassen. Eine Episode. Der nächste Mann, dessen Stimme aus dem Lautsprecher dringt, ist ein im siebten geilen Himmel schwebender Potenzprotz, der auf einer Party seine neueste „Errungenschaft“ erwartet. Ein Traum von Laufsteg-Frau stolziert auf hohem Plateau nun tatsächlich herein. Willkommen, Voyeur: Sie tänzelt. Ein gespitztes Mäulchen, eine leckende Zunge, Klimper-Wimpern, Löwenmähne und ein sagenhaft aufreizender Hüftschlag (freilich immer kultiviert und im Anstandsrahmen) hauen den Verblendeten fast um. Derbe Klischees, ein Retorten-Remix. Der Mann denkt immer nur an das eine, und ewig lockt das wilde Madonnenweib. Das ist nun mal so und das muß man denn eben auch so zeigen. Und weg ist die Spannung.

Alsdann kommt, was kommen muß: die „reinigende“ Lösung, hier in Gestalt einer Auflösung der Geschlechterbilder. Das Wunderweib reißt sich die Perücke von der Glatze, das Kleid und den wattierten BH vom Leib. Halbnackt läßt sie nun die „Sau“ raus, provozierend ordinär tanzt Bridge Markland jede und jeden einzelnen der Gemeinde an, leckt mal ein nacktes Knie, kratzt Arme hier und krault Locken dort. Bad women go everywhere and do everything! Diese Frau verwandelt sich im „Baggy“-Antischick zur androgynen Raverin, dann in einen Anzugmann, der den Keller mit machohaften Männerposen (exakt getroffen) erobert. Garniert ist das Ganze mit wildem Raubtiersex mit dem Teddy und kahlköpfiger Erotik.

Doch da Bridget Marklands „Geheimnis“ so offenliegt wie das Geschlechterverhältnis schief, sind die Nummern nicht mehr als Wiederholungen des Oftgesagten. Die Spannung dieser Performance verbirgt sich jedoch in der Erotik der englischen Sprache. Im nüchternen Tonfall erreichen uns Botschaften von den Höhepunkten und absoluten Schlappen sexuellen L(i)ebens – ob im australischen Busch genossen oder im heimischen Wohnzimmer erlitten. Ein gefundenes Fressen für die, nennen wir's mal: „soziologische Feldforschung“. Petra Brändle

Bridge Markland: „Bridgeland“ am 11./12./25./26.2. und am 4./5.3. um 23 Uhr im Freien Schauspiel, Pflügerstraße 3, Neukölln.