Der Tod des Globe-Theaters kommt auf Raten

■ Aus und vorbei: Am 31. März verschwindet das Hotel Esplanade am Potsdamer Platz - um 50 Meter / Sony will kein neues Hotel

Ein doppelter Abschied. Vielleicht. Einen Tag nach der Beerdigung des ostdeutschen Schriftstellers Erwin Strittmatter an seinem Wohn- und Arbeitsort Schulzenhof bei Gransee ließen gestern Schauspieler des Globe-Theaters im alten Grand Hotel Esplanade den großen alten Mann der deutschen Literatur wieder lebendig werden. „Ich wurde in vierzig Sprachen übersetzt, aber nicht ins Deutsche“, hatte er einmal gesagt. Und das stimmte. Er war der „Nationalautor einer halben Nation“, Neue Zeit, im Osten kannte ihn jedes Kind, im Westen nicht einmal die Buchhändler.

Aber ins Globe-Theater fanden gestern vor allem Westler den Weg. Sie kamen nicht nur, um die wunderbar ironischen und melancholischen Geschichten über den Ganter Heinrich zu hören, sondern auch, um noch einmal den morbiden Charme des Veranstaltungsortes mitten in der Ödnis des Potsdamer Platzes zu erleben.

Mit dem es ist nämlich sehr bald vorbei. Im Unterschied zu Strittmatters kleinen Geschichten vom Tode, der dann doch nicht kommt, stirbt das alte Grand Hotel Esplanade spätestens am 31. März. Der Mietvertrag ist gekündigt, und die Vorbereitungen zur Demontage des Hauses haben am Freitag begonnen. Ein vom Investor Sony beauftragtes Architekturbüro aus Fulda hat mit den Vermessungsarbeiten des silbernen Frühstücksraums begonnen. Der ganze Stuck, die vielen kleinen Putten, Säulchen und Säulen, die Deckenverzierungen, die Form der Spiegel, der marmorne Kamin, die wandhohen Fenster, all die ganzen Reste des wilhelminischen Neubarocks werden registriert, ausgemessen und fotografiert. Heute beginnen die gleichen Arbeiten im sogenannten Kaisersaal, dem Prunkstück des Hauses, Berlins einzig erhaltenes Zeugnis der großbürgerlichen Hotelkultur der Jahrhundertwende.

Die Vermessungsarbeiten sind der Beginn der „Translokation“. So umschrieb der gebildete Umwelt- und Denkmalschutzsenator Volker Hassemer die faktische Zerstörung des Ensembles. Weil die beiden denkmalgeschützten Räume der Verbreiterung der Potsdamer Straße und dem künftigen Eingangsbereich der Sony- Piazza im Wege stehen, müssen sie eben auseinander und 50 Meter weiter wieder aufgebaut werden. Wie das technisch funktionieren soll, weiß Geschäftsführerin Sabine Mehlhose nicht. Angeblich sollen aber die Wände mit Klebefolie bespannt, die Bausubstanz drei Millimeter dahinter eingeschnitten und die Folie samt Stuck und Steinlage in neuerrichtete Räume eingeklebt werden.

Wohin genau, steht seit gestern nicht mehr fest. Denn die ursprünglichen Pläne, die Integration in ein von Helmuth Jahn erbautes Sony Business Hotel, scheinen aufgegeben worden zu sein. Der Sony-Geschäftsführer Edgar von Omme denkt jetzt, weil es schon zu viele Hotels am Potsdamer Plätz gebe, an die Errichtung von „luxuriösen Wohnungen“. Der Kaisersaal und der Frühstücksraum könnten, so sagte er der Berliner Zeitung, in „Gastronomiebetriebe integriert werden“. Aber warum, wenn alles sich ändert, können die Räume dann nicht bleiben, wo sie sind? Dann hätten auch die jetzigen Betreiber des Grand Hotels eine Atempause. „Ohne die Einnahmen aus dem Restaurationsbetrieb“, konstatiert Klaus Lutz bitter, „stirbt auch das Globe-Theater auf Raten.“ Anita Kugler