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Nur eine pure Frage der Feinabstimmung

■ Das deutsche Eishockey-Team will bei Olympia in Lillehammer „einen Schritt nach dem anderen machen“ und wenn irgend möglich einen mehr als bisher

Schwenningen (taz) – Man kann das einmal sagen, weil es so selbstverständlich in der deutschen Sportlandschaft auch nicht ist: Das sind zwei richtig sympathische Kerle, dieser Ludek Bukac und sein Reindl Franz. Der eine, Bundestrainer mit Doktortitel und einer gewissen Lebensreife (58), der andere, sein Vorgesetzter (als DEB-Sportdirektor) und Assistent (als Co-Trainer) gleichzeitig, mit dem Ehrgeiz des immer noch neuen Mannes (39). Der Ältere ist, nicht weil er aus Prag stammt, schon immer ein pfiffiger Kerl gewesen, der trotz eines, sagen wir, freien Umgangs mit der für ihn fremden Sprache, jedes Wort genau abwägt, bevor er es dann rausläßt, der Jüngere vom einst simplen Linksaußen, interessanterweise an seinen Brillengestellen nachzuverfolgen, über das Sprachrohr des anderen zum mindestens Mit-Vordenker gewachsen.

Da funken zwei auf einer Frequenz. Denken deckungsgleich, das macht stark, und manchmal zudem einander ergänzend, das macht noch viel stärker. Natürlich war also der Ludek Bukac mit dem Nissan-Cup, den er nach dem Schwenninger 2:4 (1:2, 1:1, 0:1) gegen Finnland nicht verteidigen konnte, nicht ganz glücklich, denn „Niederlage ist Niederlage“. Andererseits war er aber auch „nicht unzufrieden“. Und Franz Reindl? Befand, „im nachhinein betrachtet“, sei's sehr „okay, wie's so läuft.“

Nur die Kanadier und die USA, beide allerdings selbstredend nicht mit den Besten, sondern mit College-Teams haben sich in aller Ruhe und mit großem Aufwand auf Olympia vorbereiten können, der Rest (auch Schweden, Tschechen, Finnen) ist mitten und just aus einer hektischen Liga-Saison gerissen worden. Da muß man sich entscheiden: Wie die Finnen mit endgültigem Kader und jeder Menge Tests dem Trainingsziel „Einspielen“ frönen? „Unmöglich“, sagt Reindl, „wenn der Speicher leer ist“, durch das auch psychisch fordernde Finale der Bundesligavorrunde, „muß man erst Substanz schaffen.“ Also, sagt Bukac, „müssen die Spieler sich erholen.“ Sonst gar nichts.

Drum hat man in Schwenningen und der Schweiz gespielt, damit gespielt ist. Die besten Cracks, darunter sämtliche Nationalspieler vom Meister Düsseldorfer EG, durften pausieren. Kennen, sagt Reindl, tut sich die im Vergleich zur WM 1993 allenfalls milde ergänzte Mannschaft sowieso. Wissend angeguckt haben sich die Trainer aber bei den Darbietungen eines Neuen: des Münchner Außen Jan Benda. „Er ist physisch stark und schießt Tore, solche Leute suchen wir“, lobte der Bukac den 21jährigen. Der junge Mann, in der ersten Saison bei Hedos, schoß in den ersten zwei Begegnungen, beim 5:1 gegen Lettland und dem 2:4 gegen Finnland, fünf Treffer und das, sagt Bukac „heißt etwas“.

Aber der Erfolg bei Olympia, da ist sich der Ludek sicher, hängt nicht von den einzelnen Spielern ab, sondern von der Frage, welches Team wann müde wird. Doch nicht die Schwäche der wg. Schweizer Play-offs Bykow/Chomutow-losen Russen und der durchweg NHL- losen anderen Großen soll den Erfolg möglich machen. Allenfalls erleichtern. „Wir wollen“, sagt Reindl, „die Spieler so fit machen, daß sie hundertprozentig da sind.“ Und wenn sie das sind, jene Spritzigkeit haben, die Grundlage eines erfolgreichen Konterspiels Marke Bukac ist, „sind wir gut und können alle schlagen“.

Und von wegen, wie man den Bukac in einem Blablatt jenes Konzerns zitiert hat, der nicht gerade für akkurate Wiedergabe von Zitaten berüchtigt ist, Olympia sei hauptsächlich ein Test für die WM. „Olympia“, sagt der tschechische Meister der Tautologie, „ist Olympia.“ Da, macht er sich nichts vor, „spielen wir für Deutschland“. Erstens. Und zweitens, jetzt wieder der Reindl, „wollen wir eine Eishockey-Euphorie schaffen.“ Und eine solche zu kreieren „geht nur über Olympia!“ Wie vor zwei Jahren beim Viertelfinale gegen Kanada freudig festgestellt.

Und bei den folgenden Weltmeisterschaften mangels Play-off- Sieg versäumt zu steigern. Dreimal war im Viertelfinale Schluß, aber jedesmal verstanden es die Sprachkünstler Bukac und Reindl, den tabellarischen Stillstand als Fortschritt auszuweisen. In einer Gesellschaft, der eine nicht erreichte Wachstumsrate als Rückschritt gilt, werden sie damit demnächst Probleme kriegen.

Das wissen sie: „Wir wollen weitergehen“, sagt Bukac, natürlich, aber, erklärt Reindl, „wir müssen zunächst den ersten Schritt machen.“ Also unter die ersten vier der Gruppe, um die Play-offs zu erreichen. Denn erst dann, da kann man ihm nicht widersprechen, kann man laut Reglement an das Erreichen des Halbfinales gehen. Genaues weiß man natürlich nie, außer daß „das eine ganz rutschige Angelegenheit wird auf dem Eis“ (Reindl). Was man weiß, wenn man Bukac heißt: „Man kann nur eine Superleistung auf dem Eis bringen, wenn man im Kopf dazu bereit ist.“ Darum wird man sich diese Woche in Füssen bemühen.

In den nächsten Tagen muß der 38er-Kader auf 23 Spieler geschrumpft werden, am Donnerstag reist man dann gen Norwegen, am Samstag trifft man beim ersten Spiel in der Haakon-Halle in Lillehammer auf Österreich. Da will man gewinnen, ebenso wie zwei Tage später gegen die Norweger. Und dann, nicht den Fehler von 93 machen und wertlose Siege ansammeln und wertvolle Kräfte vergeuden. Aufgepaßt: Am 23. Februar steht das Viertelfinale an. Das, sagt Bukac, „wird eine Frage der Feinabstimmung.“ Also eine höchst komplizierte Aktion zwischen Wissenschaft und Intuition. Andererseits, weiß Franz Reindl, ist alles auch wieder ganz simpel: „Entweder es haut dich raus, oder du bleibst drin.“ Ihr braven Burschen: Wir wünschen euch auch einmal letzteres! Peter Unfried

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