■ Zum Rücktritt des polnischen Finanzministers
: Profilierung

Außer ihrem gemeinsamen Wahlsieg hatten Polens ehemals kommunistische Sozialdemokraten und die Bauernpartei von Anfang an nicht allzuviel gemein. Die einen vertreten die Landbevölkerung, die anderen die städtische Intelligenz, die Staatsbediensteten und einen Teil der Arbeiterschaft. Jahrelang mühten sich die Sozialdemokraten leidlich ab, ihre Bekehrung zu Demokratie und Marktwirtschaft unter Beweis zu stellen. Die Bauernpartei dagegen wechselte 1989 sang- und klanglos die Seite der Barrikade, benannte sich um, wählte einen neuen Vorsitzenden und tut seither so, als habe es die letzten vierzig Jahre Dasein als kommunistische Blockflöte nie gegeben. Während die Sozialdemokraten stigmatisiert und isoliert vier Jahre in der Opposition verbrachten, verbündete sich die Bauernpartei mal mit Nationalisten, mal mit Christnationalen. Als sie dann vor drei Monaten an die Macht kam, ergriff sie die Chance mit allen verfügbaren Händen: Hemmungslos boxten Pawlak und seine Parteifreunde ihre Seilschaften in Verwaltung, Banken, Staatsbetriebe und Ministerien. Die Sozialdemokraten rümpften die Nase und kassierten die Prügel der Opposition, die ihnen Säuberungen, Postenschacher und Vetternwirtschaft vorhielt.

Ziemlich schnell erwies sich auch, daß sich die Wahlkampfversprechen der beiden Parteien so schnell nicht erfüllen lassen. Die Hoffnung, sich in der Frauen- und Kirchenpolitik profilieren zu können, zerschlug sich ebenfalls für die Linke. Sie mußte zusehen, wie Oppositionsabgeordnete ihr das Wasser abgruben. Denn die Bauernpartei hat seit Wochen schon ihr Herz für Polens Episkopat entdeckt und will nun weder von einer Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes noch von Neuverhandlungen des umstrittenen Konkordats mit dem Vatikan etwas wissen. Daß der große Umschwung in der Wirtschaftspolitik ausgeblieben ist und die neue Regierung da weitermacht, wo die Regierung Suchocka aufgehört hat, kann die Bauernpartei ihrer Basis noch mit lukrativen Posten versüßen. Den Sozialdemokraten blieb zuletzt nicht mehr viel, ihre Basis ruhigzustellen. Mit dem von Pawlak provozierten Rücktritt ihres Finanzministers ist das anders geworden: Jetzt können sie sich als Verteidiger von Demokratie und Marktwirtschaft gegen den Postenschacher Pawlaks profilieren. Und flugs steht die Bauernpartei am Pranger: Als unberechenbarer Lobbyistenklub, der mit populistischen Attacken Polens Reformkurs in Frage stellt. Pawlak wird es aus zwei Gründen schwerfallen, seinen ohnehin schwindenden Anhang in der Wählerschaft vom Gegenteil zu überzeugen: erstens, weil er zu den Medien ein Verhältnis hat wie das Kaninchen zur Schlange, und zweitens, weil viele der Vorwürfe gegen seine Partei schlicht wahr sind. Klaus Bachmann