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Frauenstraßennamen: Wer war's?

Kühn sei sie gewesen, die Frau mit dem tizianroten Haar, kühn schon mit neunzehn, als sie ihr erstes Gedicht veröffentlichte. Man schrieb das Jahr 1913: Die Verse der jungen Berlinerin Margarete Rosenberg wurden im Kreise der aufrührerischen, expressionistischen Künstlerkollegen enthusiastisch aufgenommen. Nicht so vom Vater. Der, ein angesehener jüdischer Rechtsanwalt, verbot ihr jede weitere Publikation unter ihrem bürgerlichen Namen. Aus Margarete Rosenberg wurde Henriette Hardenberg, die fortan ganz ungehemmt ihrem eigenwilligen Naturell Ausdruck gab.

Die junge Künstlerin war eine der wenigen Frauen des Expressionismus, ja Henriette Hardenberg verpaßte der ansonsten extrem männlichen Bewegung eine neue weibliche Dimension. Sie griff die politische und geistige Krisenzeit im Deutschland auf und suchte in ihren Gedichten nach der anderen Wirklichkeit. Menschenentfremdende Grenzen hob sie kurzerhand auf: Landschaft empfinden, Bäume, Flüsse, erstes Grünen, ist hundemäßig, wenn danach nicht in einem selbst ein Baum knirscht, der Fluß sich durch die Kehle würgt und die Lungenspitzen im Mund tanzen und hoch atmen, zum Frühling erwachen.

Und die junge Frau dehnte sich noch weiter aus sich selbst hinaus: „Ich habe Tanzblut in mir“, schrieb sie in ihr Tagebuch. Ihr „Tanz“-Gedicht von 1918 steht heute symptomatisch für die Vitalität der expressionistischen Lyrik. Umtriebig lebte Henriette Hardenberg auch ihren Alltag – als Skihaserl in einem bayerischen Skifilm oder als Modevorführerin. Dazu jedoch brachte sie die Notwendigkeit, Geld zu verdienen.

Zu einer Existenz als freie Schriftstellerin konnte sie sich nie entscheiden, obwohl ihre beiden Ehemänner selbst Künstler waren. 1937 trieben die Nazis die Dichterin ins Exil nach London. Dort starb sie am 26.10.1993 wenige Monate vor ihrem 100. Geburtstag. Im Züricher Arche-Verlag sind zwei Gedichtbände von ihr erschienen. Wäre doch ganz schön, wenn Bremen ihr eine Straße gewidmet hätte, oder? Das obige vornamenlose Neustädter Straßenschild ist nur ehrlich gesagt eigentlich dem Domprediger Albert Hardenberg (1510 - 1574) zugedacht.

sip

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