Zweite Tarifrunde im öffentlichen Dienst

■ Gedämpfte Erwartungen / Konsens bei Arbeitszeitkürzung

Berlin (taz) – Die Gewerkschaft ÖTV geht heute in Stuttgart mit den Arbeitgebern von Bund, Ländern und Gemeinden in die zweite Runde der Tarifauseinandersetzungen. Der Auftakt der Gespräche wird von starken Tönen und gedämpfter Hoffnung begleitet. ÖTV-Chefin Monika Wulf-Mathies forderte die Arbeitgeber auf, den „Gruselkatalog“ mit ihren Forderungen zurückzuziehen. Weiter hieß es aus der Stuttgarter Gewerkschaftszentrale, daß nach dem vorläufigen Scheitern der Verhandlungen im Metallbereich auch die Gespräche für die 3,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst unter einem schlechten Stern stehen.

ÖTV und die Angestelltengewerkschaft DAG beharren weiterhin auf vier Prozent Lohnerhöhung. Diese bedeuteten keinen realen Einkommenszuwachs, sondern glichen lediglich die Inflation aus. Zu Beginn dieser neuen Tarifrunde, die mit einem Sondierungsgespräch beginnt, sei jetzt ein Angebot von Arbeitgeberseite gefragt. Bundesinnenminister Kanther (CDU) möchte eine „Pause im Einkommenszuwachs“ einlegen. Eine Nullrunde sei auch wegen der Arbeitsplatzsicherheit im öffentlichen Dienst zumutbar. Außerdem wollen die Arbeitgeber die Kürzung aller im öffentlichen Dienst gezahlten Zusatzleistungen erreichen.

Währenddessen befaßten sich DGB und Bundesregierung mit der Möglichkeit, durch verkürzte Arbeitszeiten mehr Jobs zu schaffen. Aus Bonn hieß es gestern, daß Regierung und Behörden ab sofort alle Stellen auch als Teilzeitjobs ausschreiben wollen. Das gelte auch für Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben, verkündete Frauenministerin Merkel (CDU). Allerdings dürfen „dienstliche Belange“ dem nicht entgegenstehen. Mit dieser Neuregelung werde eine Bestimmung aus dem zweiten Gleichberechtigungsgesetz vorzeitig umgesetzt, sagte Merkel. Die Ministerin forderte Länder und Kommunen auf, sich dieser Entscheidung des Bundes anzuschließen und so zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.

Bereits am Dienstag stellte der DGB ein Perspektivpapier unter dem Titel „Arbeit teilen“ vor. Bei allen DGB-Gewerkschaften rangiert danach die Sicherung von Arbeitsplätzen vor mehr Lohnprozenten. Die Entlassungswelle könne mit Arbeitszeitverkürzungen, in Einzelfällen bis auf 30 Stunden, gestoppt werden. Die 35- Stunden-Woche könne nicht mehr Endpunkt der Arbeitszeitpolitik sein. Außerdem sei die Bereitschaft zur Teilzeitarbeit wesentlich größer als das Angebot an solchen Jobs. Silvia Schütt