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Wer Ärger sucht, der findet ihn

■ Ein Teil der Flüchtlings-Schüler bekommt immer noch keine Sozialhilfe / Sozialämter Lokstedt und Fuhlsbüttel sind renitent

Das Problem der Flüchtlings-Schüler, die seit Herbst keine Sozialhilfe mehr bekommen, ist offensichtlich noch nicht vom Tisch. Obwohl die Sozialbehörde vor rund drei Wochen die Leiter der Sozialämter über eine neue Regelung informierte, die den Schülern sogenannter Berufsvorbereitungsklassen (BVKA) doch Sozialhilfe zubilligt, verweigerten die Sachbearbeiter in den Ortsämtern Lokstedt und Fuhlsbüttel die Zahlung.

So im Fall des 16jährigen Steve D. aus Togo. Dessen Betreuerin Ines Karrenbauer erhielt vom stellvertretenden Leiter des Sozialamts Lokstedt, Lothar Schmidt, die telefonische Auskunft, Steve D. brauche gar nicht erst zu kommen. „Ich weiß von der neuen Regelung, aber nicht aus einer für mich maßgeblichen Stelle“, begründete Schmidt die Ablehnung gegenüber der taz. Er warte auf eine „Weisung von der Sozialbehörde“, auf „einen Brief oder Anruf eines Vorgesetzten“.

Der Beamte hat das geforderte Schriftstück inzwischen erhalten. Ob es ihn tatsächlich umgestimmt hat, war gestern bis Redaktionsschluß nicht in Erfahrung zu bringen.

Zur Geschichte: Im vergangenen Oktober hatte sich zunächst das Sozialamt Fuhlsbüttel geweigert, Sozialhilfe zu zahlen, weil der Besuch der BVKA-Klassen „prinzipiell Bafög-förderungsfähig“ sei. Denn nach Paragraph 26 Sozialhilfegesetz schließen sich Bafög und Sozialhilfe gegenseitig aus. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigte die Auffassung, seither wurden 12 Fälle von Schülern publik, denen die Sozialhilfe ersatzlos gestrichen wurde. Weil aber Asylbewerber kein Anrecht auf Bafög haben, war diese Klientel zur Abschulung gezwungen.

Da es sinnvoller ist, wenn minderjährige Flüchtlinge zur Schule gehen, als daß sie ihre Zeit auf der Straße vertreiben, wurde eine Regelung gesucht – und gefunden. Vor drei Wochen wählte die Sozialbehörde den „pragmatischen Weg“, indem sie den Paragraphen 26 außer acht läßt und zur Rechtsauffassung gelangt, daß die Schüler nach Paragraph 11 des BSHG ein Recht auf Hilfe zum Lebensunterhalt haben. Der Haken: Sie müssen parallel dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Dies aber, so BAGS-Sprecherin Christina Baumeister, sei kein Problem, da eine Arbeitsaufnahme unrealistisch und selbst bei einer stundenweisen Beschäftigung der Schulbesuch weiterhin möglich sei. Außerdem ist das Sozialamt weder gehalten, nachzuforschen, was die Jugendlichen in ihrer Freizeit machen, noch sind Schulen gezwungen, den Ämtern ihre Schüler zu melden.

Doch wer Probleme sucht, der findet auch welche. Klaus Lühr, Leiter des Sozialamts Nord, telefonierte in seinem Diensteifer mit einer der betreffenden Schulen und zählte Stunden zusammen. „Das ist eine Ganztagsschule. Die Verfügung für den Arbeitsmarkt ist mehr als eingeschränkt“, folgerte Lühr, dem auch das Sozialamt Fuhlsbüttel untersteht, das immer noch einem Schüler die Sozialhilfe verweigert. Bevor diese Frage nicht geklärt sei, könne sein Amt nicht zahlen. Der Schüler lebt derweil von einer Spende seiner Lehrerin.

kaj

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