Der Geldhahn ist abgedreht

■ Schweben im rechtlosen Raum: Seit dem 1. Januar existieren in Berlin keine Richtlinien mehr für Filmförderung / Ein "Filmboard Berlin-Brandenburg" läßt auf sich warten

Wenn in diesen Tagen Produzenten bei der Filmkredittreuhand (FKT) um Geld anfragen, schüttelt Geschäftsführer Karl Guhlke mit dem Kopf. Seit dem 1. Januar sind die Richtlinien für die Filmförderung bei der Kulturverwaltung ausgelaufen, neue nicht in Sicht. „Wir befinden uns in einem rechtlosen Zustand“, sagt Guhlke. Die Aufgabe der von fünf Großbanken gehaltenen GmbH, die 1954 zur Bündelung der öffentlichen Filmförderung geschaffen wurde, ruht derzeit. Der lang versprochene Ersatz läßt auf sich warten.

Zwar wurde die Gründung eines „Filmboard Berlin-Brandenburg“ im Oktober vergangenen Jahres vom Senat offiziell gebilligt. Doch das bundesweit einmalige Modell, zwei Länder in einer gemeinsamen Filmförderung zu vereinen, scheitert bislang an den unterschiedlichen finanziellen Vorstellungen. Während Berlin jährlich rund 20 Millionen Mark in die als GmbH organisierte Filmboard beisteuern will, wollen die ärmeren Nachbarn aus Potsdam nur 10 Millionen Mark aufbringen.

„Eine überproportionale Beteiligung unsererseits kommt nicht in Frage“, erklärte Klaus Franke (CDU), Vorsitzender des Hauptausschusses im Abgeordnetenhaus, gegenüber der taz. Brandenburg müsse einen ähnlich großen Beitrag zahlt.

Seit einigen Wochen ist Potsdam kompromißbereiter. Wolfgang Birthler, Fraktionschef der SPD und Vorsitzender des Hauptausschusses im Brandenburger Landtag, kam dem Berliner Kollegen Krause in einem Gespräch jüngst einen kleinen Schritt entgegen. „Wir wollen mittelfristig unseren Anteil erhöhen“, faßt SPD- Fraktionssprecher Michael Donnermeyer das Ergebnis zusammen. Von der Filmboard GmbH – die in Zukunft von einem Intendanten geführt werden soll und die FKT, die zuständigen Filmgremien in der Berliner Kulturverwaltung und das „Filmbüro Brandenburg“ ersetzen soll – erhofft man sich ein Ende des bürokratischen Dschungels.

Wer als Filmschaffender bis Ende Dezember in der Hauptstadt zu öffentlichen Mitteln für einen Spielfilm kommen wollte, mußte sich einer mühsamen Prozedur unterziehen: Sein Antrag auf einen Kredit bearbeitete zunächst die FKT. Anschließend mußte er in den Gremien der Kulturverwaltung beraten werden. Fiel dort ein positiver Bescheid, wurde beim Bankenkonsortium die Auszahlung an den Produzenten beantragt. Die maximale Fördersumme für einen Spielfim betrug zwei Millionen Mark, durfte aber nicht mehr als 30 Prozent der Herstellungskosten ausmachen.

War der Film erfolgreich, folgte die Rückzahlung des Kredits samt Zinsen vom Produzenten an die Banken. Im umgekehrten Fall – und das war die Regel – traten die Banken nach anderthalb Jahren an den Senat heran, der aus dem Filmtopf die Kredite beglich.

Mit dieser Konstruktion machten die Banken nebenbei kein schlechtes Geschäft. Von den jährlich 20 Millionen Mark der Filmförderung mußten nach Berechnungen der Kulturverwaltung rund 18 Prozent für Tilgung der Zinsen aufgebracht werden.

Auf der diesjährigen Berlinale laufen ingesamt sechs deutsche Filme, die in den Genuß von rund 2 Millionen Mark aus Berlin kamen. Spitzenreiter: „Der Blaue“ von Lienhard Wawrzyn mit immerhin 950.000 Mark. Summen, die mit den Millionenproduktionen aus den USA und aus Frankreich nicht standhalten können. Das Zauberwort „Filmförderung“ löst daher bei den Betroffenen seit Jahren nur noch Gelächter aus.

So endete vor rund zwei Jahren die Bestellung eines Filmbeauftragten in einem Fiasko. „Es ist ein Skandal, daß die politisch Verantwortlichen so lange gebraucht haben, um der Realisierung eines Filmboards näherzukommen“, klagt Peter Rommel, Produzent von Spiel- und Dokumentarfilmen und Mitarbeiter des Filmvertriebs „Ex Picturis“. Ergebnis: Gute Leute wandern ab und werden zu einer Förderungsreise durch die halbe Republik gezwungen.

Das führt, wie Rommel erklärt, zu einer absurden Situation. Weil Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Hamburg nur zahlen, wenn ein gewisser Prozentanteil Lokalkolorit auf Celluloid gebannt wird, müßten einst in Berlin entworfene Handlungen „dann auf diese Regionen zurechtgestrickt werden“. Severin Weiland