Abschiebung in den Krieg gegen Bosnien?

■ Die Regelung zum Bleiberecht für KroatInnen ist „kontraproduktiv“

Die Galgenfrist ist verlängert, aber die Unsicherheit geht weiter. Das ist , etwas verkürzt dargestellt, die Lage der etwa 130 KroatInnen in Bremen nach dem Beschluß der Innenminister von Ländern und Bund, der am vergangenen Mittwoch zum Thema Abschiebestopp für kroatische Flüchtlinge gefaßt wurde. Innensenator Friedrich van Nispen (FDP) konnte sich mit der Bremer Forderung nach Verlängerung des Abschiebestopps für KroatInnen nicht durchsetzen. Ende Januar hatte der Senat beschlossen, sich für eine Verlängerung des Abschiebestopps einzusetzen, weil die Rückführprogramme für Flüchtlinge nicht rechtzeitig aufgelegt werden können.

Diese Programme gibt es immer noch nicht, und der Bundesinnenminister hat eine Beteiligung an der Finanzierung „kategorisch abgelehnt“, wie Erika Pape-Post vom Innensenat berichtet. Der Kompromiß, den die Innenminister von Bund und Ländern geschlossen haben, sieht vor, den generellen Abschiebestopp für KroatInnen wie geplant zum 30.April aufzuheben, den Zeitraum für die Ausreise allerdings bis zum 31.Oktober zu verlängern. Dann sollen als erste kinderlose Erwachsene und Ehepaare ohne Kinder abgeschoben werden. Flüchtlinge aus Landesteilen, die serbisch besetzt oder durch den Krieg zerstört sind, haben bis zum 30.Juni 1995 ein Aufenthaltsrecht. Eine Sonderregelung für desertierte Wehrflüchtige aus Kroatien wird es nicht geben.

„Ein kleiner politischer Erfolg“ meint Marieluise Beck vom Bremer Bosnien-Komittee zu dem Beschluß. „Es hat soviel Druck von unten gegeben, daß es gegen die Regierenden durchgesetzt werden konnte, diese Flüchtlinge hier zu behalten.“ Allerdings müsse man auch sehen, daß durch diese Rückschiebung der KroatInnen verstärkt Druck auf die bosnischen Flüchtlinge in Kroatien gemacht werde. „Die Gefahr ist groß, daß die BosnierInnen dann verstärkt in Internierungslagern zusammengefaßt werden. Aber immerhin hätten die Flüchtlinge ein bißchen Luft: „Wir hangeln von Strohhalm zu Strohhalm.“

Auch Helga Trüpel, Senatorin für Ausländerintegration, begrüßte die Regelung als „Teilerfolg, mit dem erst einmal der größte Druck von den Flüchtlingen genommen wurde.“ Die Weigerung des Bundes, sich an der Finanzierung des Aufenthalts von Flüchtlingen zu beteiligen, sei allerdings nach den Versprechungen im „Asylkompromiß“ beinahe eine „Asyllüge“.

Kritik an der geplanten Abschiebung von Deserteuren kommt von der „Gesellschaft für bedrohte Völker“: In Kroatien würden diese Männer mißhandelt, ins Gefängnis gesteckt oder an die Front gebracht. „Das Recht zur Kriesgdienstverweigerung steht zwar in der kroatischen Verfassung, exisitiert aber faktisch nicht“, heißt es.

Auch Dieter Trappmann von der Bremer Ausländerbehörde sieht die neue Regelung als kontraproduktiv: „Die Art, wie hier mit Menschen umgegangen wird, ist unmöglich.“ Seit November gebe es keine neue Lage im Krisengebiet, da hätten sich die Behörden auch die bundesweit 50.000 Ausweisungsverfügungen und die Verunsicherung der Flüchtlinge sparen können.

Wie der Beschluß umgesetzt werden soll, ist für Trappmann schleierhaft: „Da brauchen wir eindeutiges Kartenmaterial, was besetztes Gebiet ist und was nicht. Sobald ich den Beschluß vorliegen habe, wird dann hier das große Sortieren losgehen.“ Was aber werde mit den unverheirateten, kinderlosen Männern, die als erste zurückgeschoben werden sollen: „Man kann die doch nicht abschieben und sagen, jetzt dient Ihr in der kroatischen Armee und bringt Bosnier um.“ Wenn der Termin 31.Oktober steht, rechnet Trappmann mit einer Flut von Verfahren bis Weihnachten. „Und danach gehen die dann alle ins Asylverfahren“ – und genau da sollten die Bürgerkriegsflüchtlinge eigentlich nach dem Willen von Bund und Ländern nicht landen. bpo