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Falsche Freunde

■ Leander Haußmann inszeniert Wolfgang Maria Bauer

Wolfgang Maria Bauer ist Schauspieler am Münchner Residenztheater. Er schreibt aber auch Stücke. Erst „Der Zikadenzüchter“, jetzt „In den Augen eines Fremden“. Er ist gefördert worden: Der Kritiker Peter von Becker schrieb dem Ex-Fußballer eine Hommage mit Gloriole. Seitdem sei klar, Bauer gehöre zu den Besten unter den neuen Stückeschreibern. Doch heißt sein Regisseur Leander Haußmann. Haußmann ist der begabteste Stückeumschreiber des deutschen Stadttheaters. In seinen Inszenierungen ändert die Story Richtung und Witz nach Belieben. Ausgerechnet Haußmann hat sich eine Uraufführung angezogen, sich dem Gebot der Werktreue eines Erstlings ausgesetzt. Aus Freundschaft. Sie währt, seit sich Wolfgang Maria Bauer als Mercutio in Leander Haußmanns „Romeo und Julia“ zu Tode lief. Ehrensache also, das Werk von Bauer am Münchner Residenztheater zu Tode uraufzuführen.

Das Stück ist poetisch und schwallt gewaltig. Ein Seebad, das keine Saison hat, ein Sonderling, der ein Haus auf den Klippen beim Kartenspiel gewann und sich da hinein achtzehn Jahre lang einsperrt. Ein hübsches Luder, das zufällig in diesen Badeort geschwemmt wird. Aufgefischt von einem Portier, der sich zuvor eine Dame mit zerschnittenem Gesicht angelte. Ein Yuppie mit ungezügeltem Selbstbewußtsein, der gewaltig stört. Ein junger Kerl mit Herzklappenfehler. Ein Personal, das nichts sucht, nichts findet, das folglich nichts zu sagen weiß.

Dreizehn kleine Kurzgeschichten, meist pointenlos, umwittern geheimnislos ein Personal, das aus ein paar Macken besteht. Man kommt, man geht. Man sagt sich etwas, deutet etwas an, assoziiert sich durch die Nacht hindurch. Dann dämmert es. Morgennebel statt frischer Theaterluft. Trübe Einfallspoesie statt klarer Ideen.

Bernhard Kleber, Haußmanns Freund und Drehbühnenbildner, läßt die Drehbühne im Leerlauf drehen. Haußmann hat in seine Plattenkiste gegriffen und hübsche Pausenmusik zusammengesucht. Er läßt Musikbox und Radio spielen, läßt witzeln und singen, weil ihm zum Stück nichts einfällt. Am Anfang zeigt er einen Urlaubsfilm. Dann senkt sich der Vorhang. Anne-Marie Bubke, das hübsche Luder, spricht mit dem Publikum Blabla. Aber verführt es nicht. Am Anfang gibt es im Stück drei Witze. Dann keine mehr. In der Not erzählt Oliver Stokowski Kantinenkalauer. Er sieht aus wie der junge Gérard Depardieu. Das verblüfft ein Weilchen, dann wird es totlangweilig.

Es wird heiße Luft gegeben. Es ist ein Abend der Freundschaft. Uraufführungen wie diese geben Anlaß für eine Premierenfeier, nicht für staunende Blicke. Keiner der Freunde hat dem anderen auf die Finger geklopft. Um der Freundschaft willen. Kein Jota wird im Text gestrichen, im Gegenteil, er wird sinnlos verlängert. Aus Freundschaft zu Margit Carstensen, die mehr Rolle wollte und den Quatsch nun aufsagen muß. Leander Haußmann, der einen Shakespeare zum Krimi umzuschreiben vermag, flüchtet sich in Pausenmusik. Bauer erlaubt dieser Inszenierung nur fahle Poesie. Ihm wird alles recht gemacht. So geschieht ihm Unrecht. Von der Bühne plappert falscher Frieden herab. Es kommt auf falsche Freundschaft hinaus. Arnd Wesemann

Wolfgang Maria Bauer: „In den Augen eines Fremden“. Regie: Leander Haußmann, Bühne: Bernhard Kleber. Mit Anne-Marie Bubke, Margit Carstensen u.a. Residenztheater München. Nächste Vorstellungen: 16.,17. und 22.2. (19.30), 27.2. (19.00).

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