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Warum nicht Wodka Gorbatschow?

Off-Theater suchen finanzielle Alternativen: Heute hat das Theater Die Barriere mit Tschechows „Bär“ Premiere – finanziert wird die Produktion mit gespielten Werbespots  ■ Von Miriam Hoffmeyer

Im Kino ist die Werbung oft das Schönste, und Geld bringt sie auch ein. Das finanzschwache Theater dagegen geht leer aus. Ohne vernünftigen Grund, fand Falk Walters, Regisseur der Off-Theater- Gruppe Die Barriere, als er mit den Proben zu Tschechows „Der Bär“ begann. Mehrere Monate hat die Gruppe um Auftraggeber für live gespielte Werbespots geworben, die je nach Länge 4.000 bis 5.000 Mark kosten sollen.

„Das Interesse ist groß, aber die meisten potentiellen Auftraggeber wollen lieber erst mal abwarten, wie das funktioniert“, erzählt Gregor Eckle, der zahlreiche Verhandlungen mit Marketingleitern und Produktmanagern hinter sich hat. Die Spots schreibt die Gruppe selbst und baut sie an passenden Stellen in die Aufführung ein. Schließlich, meint Eckle, biete „Der Bär“ genug Anknüpfungspunkte für alle möglichen verschiedenen Branchen. So trinken der Gutsbesitzer Smirnow und die Witwe Popowa zum Beispiel Wodka und Wasser – warum nicht Wodka Gorbatschow und Apollinaris? Die dekorativ trauernde Witwe könnte eine Werbeträgerin für Textil- und Kosmetikfirmen abgeben. Und schließlich streitet sich das Paar über Schulden – hier ließen sich Banken und Inkassofirmen ins Spiel bringen.

Die Parodie ist zu vermeiden

Trotz aller Anstrengungen probte Die Barriere bis vor kurzem nur an einem einzigen Spot über „Gauloises Blondes“. Und Christoph von Brockhusen, Produkt-Manager von BAT Deutschland, hat immer noch Vorbehalte: „Ich will nichts bezahlen, was vielleicht in sich gut ist, aber sich negativ auf die Marke auswirkt. Der Spot soll glaubwürdig sein, keine Persiflage.“ Wie die gespielte Werbung an der Parodie vorbeizumanövrieren ist, ist Gregor Eckle auch noch nicht ganz klar. Aber zum Glück, tröstet er sich, könne man im Theater, anders als in der Kinowerbung, flexibel auf Stimmungen reagieren.

Projektförderung durch die Kulturverwaltung, die im Durchschnitt ohnehin nur einem von sechs Antragstellern bewilligt wird, hat Die Barriere gar nicht erst beantragt. „Wir wollten die Aufführung von Anfang an selbst finanzieren“, sagt Eckle. Angesichts der Schließung des Schiller Theaters und der allgemeinen Einsparungen im Kulturbereich müsse das Theater neue Wege der Finanzierung suchen, glaubt er: „Weil Off-Theater eine autonome Struktur und kleine Verwaltungen haben, können sie auch im finanziellen Bereich Veränderungen bewirken.“ Eine dauerhafte Finanzierungsmöglichkeit könne die Werbung im Theater sicher nicht werden, meint dagegen von Brockhusen: „Das ist eine einmalige Sache. Ich mache das ja nicht, um die 70 Leute pro Vorstellung zu beglücken, sondern weil das Ganze den Reiz des Außergewöhnlichen hat. Das ist für mich eine Kombination zwischen Sponsoring und PR.“ Der Ausverkauf der Kultur an die Werbung steht also nicht unmittelbar bevor.

Werbung als Provokation

Trotzdem haben sich die Barriere- Künstler natürlich Gedanken über die kulturpolitische Sprengkraft ihrer Idee gemacht. „Ich kann verstehen, wenn jemand sagt, das Theater sei der einzige Ort, wo man keine Werbung um die Ohren gehauen kriegt“, gibt Eckle zu. Darum sei die Werbung nicht zuletzt als Provokation gedacht. Andererseits müsse man aber auch sehen, „daß das Theater unsere letzte heilige Kuh ist, und zwar auf Kosten der Schauspieler, die nur sehr wenig dabei verdienen“. Das kommerzielle Fernsehen hält er durchaus für nachahmenswert: „Schließlich gucken sich die Leute ja auch durch Werbung finanzierte Filme im Kabelfernsehen an.“ An der Unschärfe eines Projekts, das gleichzeitig ernsthaft für Produkte werben, das aufgeführte Stück durch die eingeflochtenen Spots ironisch brechen und obendrein noch durch die Werbeidee provozieren will, scheiterte unter anderem ein Auftrag der Commerzbank. „Der Preis war mir zu gewaltig und das Konzept zu unklar“, sagt Matthias Mietka, Referent für Kommunikation. Trotzdem fände er die Idee „sehr innovativ“ und wolle sich die Premiere unbedingt ansehen.

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Heute bis 14.3., Donnerstag bis Montag, 20.30 Uhr im Theater Zerbrochene Fenster, Schwiebusserstraße 16, Kreuzberg.

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