Millionen in die eigene Tasche geleitet

■ Wohlfahrtsverbände in Schleswig-Holstein haben kräftig abkassiert

Kiel (taz) – Schleswig-Holstein ist um einen Finanzskandal reicher. Mindestens 13 Millionen Mark sollen die Wohlfahrtsverbände in den vergangenen Jahren zuviel kassiert haben.

Der Landesrechnungshof (LRH) wirft dem Diakonischen Werk, der Arbeiterwohlfahrt (AWO), dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV), dem Deutschen Rotem Kreuz (DRK) und der Caritas vor, schlampig abgerechnet, mit Akten manipuliert, und so die überhöhten Zuschüsse eingestrichen zu haben. Nun legen die Krankenkassen nach: In einem Brief an die Kieler Sozialministerin beklagt sich der Verband der Ersatzkassen, daß ihm die Verbände einen umfassenden Blick in die Bücher verweigern. Für die Kassen geht es um viel mehr Geld, als für das Land, das die Sozialstationen mit zehn Millionen Mark jährlich bezuschußt. Die Kassen zahlen für einen Teilbereich der Sozialstation, der häuslichen Krankenpflege, jährlich 50 Millionen Mark. Sie tragen rund die Hälfte der Gesamtkosten für die Sozialstationen. Jedoch bei Verhandlungen über Stundensätze im Bereich der häuslichen Krankenpflege etwa, legt das Diakonische Werk nur die Kalkulation für eine nicht existierende, sondern modellhafte Sozialstation vor. Der LRH hatte bei seiner Prüfung der Sozialstationen unter anderem Differenzen zwischen den angegebenen Personalschlüsseln und den tatsächlich Arbeitenden festgestellt. Nun wollen sich die Kassen nicht mehr mit Modellrechnungen zufrieden geben. Sie fordern die Offenlegung der Bücher. Den Einwand der Wohlfahrtsverbände, daß bereits Finanzamt, interne Prüfer und eben die Krankenkassen kontrolliert hätten, lassen sie nicht länger gelten. Vor diesem Hintergrund bekommt der Streit zwischen Rechungshof und den Wohlfahrtsverbänden um die Grundsatzfrage, ob der LRH alle Bücher einsehen oder nur die Spalten begutachten soll, in denen die Zuschüsse des Landes verbucht werden, eine völlig andere Dimension. Laut Landesverfassung darf der Rechnungshof nämlich sämtliche Bücher prüfen. Doch Diakonisches Werk, AWO, DRK und Caritas meinen, das sei rechtswidrig. Unter die Lupe nehmen dürfe der LRH nur den Teil, der mit öffentlichen Geldern finanziert werde. Untermauert haben die Verbände ihre Position mit einem Gutachten eines Rechtsprofessors von der Kieler Universität. Nun sollen die Gerichte darüber entscheiden.

Allein der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) hat nichts gegen eine umfassende Prüfung, deren Landesvorsitzender heißt aber auch Klaus Klinger und ist amtierender Justizminister. Die Politiker in Schleswig-Holstein, von denen einige mit den Verbänden eng verknüpft sind, bemühen sich um Schadensbegrenzung: Auch Rechnungshöfe können irren, meinte der Vorsitzende des Finanzausschusses des Kieler Landtages, Holger Astrup, zu den Vorwürfen der erschlichenen Zuschüsse aus Steuermitteln. Es gebe keinerlei Anlaß für Vorverurteilungen, zumal der endgültige Bericht erst im April vorliegen werde. Die Vorwürfe des LRH hatten die Verbände empört zurückgewiesen. Geblieben sind die Politiker aller Parteien aber dabei, daß der LRH das Recht habe, sämtliche Bücher der Wohlfahrtsverbände einzusehen. Kersten Kampe