Arbeitsrechtliches Wild-West in Ex-Springer-Betrieb

■ Ein dubioser Unternehmer erwarb „Wochenblatt“-Setzerei / Belegschaft gefeuert / Gewerkschaft rotiert

Früher hatte es was Beruhigendes, im Springer-Konzern beschäftigt zu sein: Soziale Absicherung, sicherer Arbeitsplatz. Doch heutzutage können auch Springer-MitarbeiterInnen Arbeitsrecht-Wild-West ausgesetzt sein, so wie die 20 SetzerInnen der Bergedorfer Firma Futura Creativ Satz. Die gehörte bis vor kurzem zu 85 Prozent dem Wochenblatt-Verlag, einer 100prozentigen Springer-Tochter. Das Unternehmen war mit der Herstellung von vier Wochenblättern (Rahlstedt, Jenfeld, Eppendorf, Barmbek) betraut.

Ende vorigen Jahres wurde der Betrieb vom Wochenblatt-Verlag an den Unternehmer Holger Hagelstein verkauft, besser gesagt an seine Frau Wilma. Denn Hagelstein selbst darf im Moment keinen Betrieb führen, da mehrere Vollstreckungsbescheide gegen ihn anhängig sind.

Dennoch präsentierte sich Hagelstein, der die Firma in „Lasertype GmbH“ unbenannte, kurz vor Sylvester als neuer Chef. Eine Mitarbeiterin zur taz: „Hagelstein stellte sich als kaufmännischer Leiter vor, seine Frau mache die Geschäftsführung und sein Sohn die technische Leitung.“ Die Sicherheit der Arbeitsplätze habe er, so die Mitarbeiterin, versprochen: „Niemand würde entlassen, er habe einen Fünf-Jahres-Vertrag mit Springer für die Produktion der Wochenblätter“.

Als die Belegschaft vorsichtshalber Betriebsratswahlen einleiten wollte, flatterte allen 20 MitarbeiterInnen am 17. Januar 94 ein Brief ins Haus: „Hiermit kündigen wir ihnen zum 31.3.94 aus betriebsbedingten Gründen“. Um die Sache abzurunden, stellte ein Familienmitglied die Belegschaft mit „sofortiger Wirkung“ von der Arbeit frei und schickte die Beschäftigten nach Hause. Den Lohn für Januar haben die SetzerInnen zwar noch erhalten, doch niemand weiß, wie es weitergeht. Sieben MitarbeiterInnen haben mittlerweile beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklagen eingereicht.

Lasertype produziert die Wochenblätter unterdessen mit Aushilfen, die zum Teil aus einer Berliner Hagelstein-Dependance eingeflogen werden. Auch Hagelsteins Tochter, Sohn, Ehefrau, Schwager und Schwiegertochter sind im Einsatz. Die Mitarbeiterin: „Es gibt auch Leute, die nachts arbeiten.“ Für das Amt für Arbeitsschutz unhaltbare Zustände: „Wir haben die Firma aufgefordert, die Arbeitsnachweise vorzulegen“, so Amtsleiter Mathias Frommann. „Das hat sie jedoch nicht gemacht.“ Das Amt habe nunmehr Lasertype ein Ultimatum gestellt und droht mit Bußgeldern und Erzwingungshaft.

Daß Hagelstein ein harter Brocken ist, mußte auch der Hamburger Rechtsanwalt Rolf Geffken erfahren: „Wir haben mal mehrere Fälle für ihn übernommen. Er machte immer einen soliden Eindruck, hat uns aber regelrecht übern Tisch gezogen“. Wegen nicht bezahlter Anwaltsrechnungen ist Hagelstein dann auch rechtskräftig verurteilt worden.

Als Geffken jedoch per Gerichtsvollzieher die Schulden eintreiben wollte, machte er eine Bauchlandung. Geffken: „Hagelstein war untergetaucht und nicht aufzufinden. Seine Frau erklärte immer, sie wisse nicht wo er ist – vielleicht irgendwo in Berlin“.

Auch die IG Medien stößt bei ihren Versuchen, die Arbeitsplätze zu retten, auf Granit. „Das Schlimme ist, daß Springer ihn total unterstützt“, so die Mitarbeiter. Bergedorfs IG-Medien-Chef Dieter Born will sich jetzt notfalls gerichtlich und polizeilich Zugang zum Betrieb verschaffen, um eventuell mit den neuen Beschäftigten einen Betriebsrat aufzubauen. Dennoch ist Born über das Arbeitsrecht-Wild-West entnervt: „Den kriegt man einfach nicht am Arsch“.

Kai von Appen