■ Präzision nicht nur im Militärischen ist nötig
: Intervention mit Parteinahme

Zum ersten Mal zeigt der Westen Entschlossenheit, auf das Gemetzel in Bosnien-Herzegowina zu reagieren. Sie manifestiert sich nicht nur in den intensiven Bewegungen der Nato- und UNO-Oberen der letzten Tage, sondern auch in der präzisen und detaillierten Auslegung des Ultimatums an die serbischen Belagerer von Sarajevo, die aus Washington kommt.

Aber da hört der präzise Umgang mit der Kriegssituation anscheinend auf. Eine westliche Intervention müßte nämlich das Kunststück vollbringen, den serbischen Aggressoren eine Niederlage zuzufügen, aber die Opfer der serbischen Aggression nicht im gleichen Zug zu Siegern zu machen. Denn es ergibt sich aus der Situation der multinationalen Staaten oder Regionen, daß ihre Zukunft bedroht ist, wenn eine Volksgruppe zu Siegern, die andere zu Verlierern wird. Um dieses Kunststück zu meistern, sind nicht nur militärische Mittel nötig, sondern eine genaueste Beschreibung der Lage, die mit der Unterscheidung zwischen Usurpation und Okkupation beginnt. Das Unrecht einer gewaltsamen Aneignung der angestammten Gebiete (etwa Knin oder Banja Luka serbischer- oder Mostar kroatischerseits) kann man um des Friedens willen noch dulden. Aber die Besetzung der mehrheitlich von anderen Volksgruppen bewohnten Gebiete (Slawonien, Ostbosnien) darf man keinesfalls hinnehmen. Die schwammige Terminologie vom interethnischen Krieg würde nach diesen Unterscheidungen nicht mehr die Strategie bestimmen. Hinter ihr kann sich noch immer vieles verstecken; beispielsweise die Tatsache der Landeroberung des Siegers in diesem Krieg, aber auch die westliche Quadratur des Kreises, sich einzumischen und doch keine Partei zu ergreifen. Wenn der Westen in Bosnien-Herzegowina „das Prinzip der Republik“ verteidigen will, dann darf diese Formel keine beiläufige Legitimation der serbischen Landnahme in Bosnien-Herzegowina, aber auch in Kroatien sein. Plötzliche französische Sorge für die eingekesselten Kroaten in Mittelbosnien stimmt bedenklich, auch wenn sie an sich mehr als berechtigt ist. Wer verhindern will, daß die bosnischen Muslime ungerechte Vorteile im Gefolge der westlichen Aktionen gegen die Serben ziehen, muß sich zuerst eindeutig solidarisch mit der gerechten Sache der Bosnier zeigen. Hätte man sie früher unterstützt, wäre es zu dem kroatisch-muslimischen Krieg nicht gekommen. Die westliche Entschlossenheit hat Sinn, wenn sie eine gegen das großserbische Projekt ist, mit oder ohne Bomben, flankiert durch Maßnahmen, die die unterlegenen Bosnier und Kroaten mit Kompensationen von weiteren Waffengängen abbringen. Dunja Melćić