Schweizer Eidgenossen legen sich mit Paris an

■ Bern will Frankreich wegen Freilassung zweier Iraner verklagen

Basel (taz) – Die Regierung der kleinen Schweiz will es dem großen Nachbarn im Westen zeigen. Der Bundesrat beschloß am Mittwoch abend in Bern, die französische Regierung vor dem Pariser Staatsrat zu verklagen. Grund: Frankreich hatte die Auslieferung zweier mutmaßlicher iranischer Attentäter verweigert.

Die Iraner Ahmad Taheri und Mohsen Scharif Esfahani werden von der Schweizer Justiz verdächtigt, bei der Ermordung des iranischen Oppositionspolitikers Kazem Radjavi die Hände mit im Spiel gehabt zu haben. Der Regimegegner war im April des Jahres 1990 in Coppet (Kanton Waadtland) in seinem Auto erschossen worden. Taheri und Esfahani wurden später in Frankreich verhaftet. Die Schweiz beantragte die Auslieferung der beiden. Zunächst stimmte die französische Justiz auch zu. Insgesammt vier Mal ordnete Paris den Vollzug der Auslieferung an – zuletzt in einem von Premierminister Edouard Balladur persönlich unterzeichneten Auslieferungsdekret. Dann, am 29. Dezember 1993, ließ Balladurs Regierung die beiden Mordverdächtigen überraschend nach Teheran ausreisen. Das sei aus „Gründen höherer Interessen des französischen Staates“ geschehen, wie es in der offiziellen Begründung hieß. Der Affront löste in Bern um so mehr Befremden aus, da die Schweiz 1991 und 1992 – trotz Drohungen aus Teheran – zwei in Genf verhaftete Iraner an Frankreich auslieferte, die dort an der Ermordung des früheren iranischen Premierministers Schapur Bachtiar beteiligt gewesen sein sollen. Über die Reaktion auf die Pariser Rechtshilfeverweigerung kam es innerhalb der schweizerischen Regierung zum Streit: Während Außenminister Felber sich im Interesse der guten Nachbarschaft und der Staatsraison mit einer lauen Protestnote begnügen wollte, sah Justizminister Koller die Glaubwürdigkeit der internationalen Terrorismusbekämpfung in Gefahr. Die durch Abkommen geregelte Rechtshilfe zwischen demokratischen Europarat-Mitgliedern – so Koller zu dem Geheim- Gekungel zwischen Paris und Teheran – dürfe nicht Gegenstand politischer Verhandlungen mit Drittstaaten sein.

Nach sechswöchigem Gewürge hinter verschlossenen Türen setzte sich Justizminister Koller jetzt in der Berner Regierung durch. Eine von Paris Ende Januar nachgereichte Begründung der Rechtshilfeverweigerung wurde vom Bundesrat als „nicht befriedigend“ zurückgewiesen. Wegen Verstoßes gegen das Europarat-Abkommen über Terrorismus-Bekämpfung sowie das Europäische Auslieferungsübereinkommen von 1957 wollen die Eidgenossen vor den Conseil d' Etat in Paris ziehen.

Das höchste Verwaltungsgericht Frankreichs soll klären, ob die Regierung Balladur gegen die europäischen Auslieferungsübereinkommen verstoßen hat. In einer ersten Reaktion auf die angekündigte Klage hat die französische Regierung die Ausweisung erneut mit Hinweis auf das „nationale Interesse“ verteidigt. Thomas Scheuer