„Jetzt erst recht“ – Abgang ohne Reue

Gauweilers vorerst letzter Auftritt beim Politischen Aschermittwoch / Der „schwarze Peter“ verwandelte seine Rücktrittserklärung in eine selbstbewußte Personality-Show  ■ Aus München Corinna Emundts

Eine prekäre Situation. Wie bei einem Theaterstück, bei dem das Ende schon klar ist, bevor der Hauptdarsteller die Bühne betritt, und es trotzdem spannend bleibt, wie er sich zu seinem Ende durchschlägt. Schließlich hatten Waigel und Stoiber seinen Rücktritt bereits angedeutet. Doch des Applauses konnte er sich sicher sein, schließlich hatte sich im überfüllten Münchner Pschorrkeller die letzte Bastion überzeugter bayerischer Gauweiler-Fans versammelt. Und der „schwarze Peter“ wäre nicht der echte, wenn er einfach ans Pult marschiert wäre und gesagt hätte: „Ich trete zurück.“ Statt dessen folgte nach einem minutenlangen bejubelten Einlauf des Darstellers ein fast zweistündiges Einmannstück, das teilweise kabarettreif war. Vermutlich hat er es aber doch ernst gemeint, denn „wir lassen uns nicht alles gefallen in Bayern“, so einer seiner ersten Sätze.

Schon die räumliche Trennung zu seinen Parteikollegen in Passau zeigte, daß dieser Abend weniger eine CSU-Veranstaltung denn eine Personality-Show sein sollte. „Jetzt rede ich“ – Zufall oder nicht: so hieß auch eine erfolgreiche Sendereihe, die Franz Schönhuber in seiner Zeit als Journalist beim Bayerischen Rundfunk machte. „Jetzt rede ich“ – bei Gauweiler hieß das: Bloß keine Reue zeigen, dafür austeilen. Auch gegen die eigenen Reihen, etwa: „Neuerdings werde ich als Mühlenrad bezeichnet, aber ein Mühlenrad ist immer noch besser als ein kleines Windrad.“ Dröhnender Applaus, Gauweiler tropft der Schweiß vom Kinn. Bierzeltatmosphäre. Deutlich signalisiert er, daß er sich von seinen Parteikollegen im Stich gelassen fühlt, und sichert seinem Nachfolger zu, „daß wir ihn anders unterstützen werden“. Höhnisch verliest er eine Presseerklärung von Alois Glück, CSU-Fraktionsvorsitzendem im bayerischen Landtag, der wenige Stunden zuvor als erster CSU-Politiker seinen Rücktritt offiziell gefordert hatte. Buhen und Pfuirufe im Saal.

So widmet Gauweiler denn auch einen großen Teil seiner Rede nicht den derzeitigen CSU- Politikern, sondern seinem verstorbenen Ziehvater Franz Josef Strauß, dessen Erbe die CSU zu verspielen drohe („Ohne Strauß würde die CSU ihre Seele verlieren“). Und ist plötzlich in seinem thematisch ohnehin wirren Vortrag bei der Kernkraft angelangt. „Am Straußschen Kurs hätte festgehalten werden müssen – wo stehen wir denn heute: Die sichersten Kernkraftwerke Europas stehen in Westdeutschland, und die sollen abgeschaltet werden, während Tschernobyl am Netz bleibt?“

Die „Kanzlei- und Spelunkenaffaire“ streift Peter Gauweiler nur, empört darüber, sich rechtfertigen zu müssen, „daß irgendein Scheißlokal durch mich Ausschankverlängerung bekam“. Sein Feindbild, mit dem er sich im Saale den größten Applaus holt, sind die Medien, die gegen ihn eine „Dreckskampagne“ geführt hätten.

Die Rolle, die Peter Gauweiler bei seinem vermutlich letzten großen Auftritt – für die nächste Zeit zumindest – spielt, ist deutlich: der gute Peter als Opfer einer konzertierten Kampagne von Presse und Opposition. Keine Erklärung, keine Einsicht, was seine Affairen betrifft. Diese Rolle spielt er bis hin zum Realitätsverlust: „Ich habe abgelehnt, daß ich wegen der gegen mich erhobenen Vorwürfe zurücktrete.“ Begeistertes Klatschen. Als er dann doch in letzter Minute unter „Nein“-Rufen seinen Rücktritt bekanntgibt, „weil Stoiber es so wollte“, ist die Stimmung gedrückt. Wenig später wird der Populist, der trotz Kanzlei- Affaire 43 Prozent der Stimmen bei der Münchner Oberbürgermeisterwahl erreichte, gefeiert wie ein Popstar. Seine Versicherung, der CSU treu und in jedem Fall Münchner Bezirkschef zu bleiben, und die Ankündigung, „jetzt erst recht für die Politik aktiv zu sein“, klingt eher wie eine Drohung als eine Solidaritätserklärung.

„Verdammt bedauerlich“ sei Gauweilers Rücktritt, befindet ein älterer Zuhörer im Trachtenjankerl beim Rausgehen, „der war der letzte Bayer in der CSU“.