Die PDS-Parteijugend begehrt auf

Die Arbeitsgemeinschaft Junge GenossInnen wirft der Partei zunehmende „Etablierung“ vor / Soziale Bewegungen würden auch in der PDS ausgegrenzt, die PDS sei auf Wahlen fixiert  ■ Aus Berlin W. Gast

Thomas Barthel, Mitglied im geschäftsführenden Ausschuß der Arbeitsgemeinschaft Junge GenossInnen in der PDS, will von seiner Kritik nichts zurücknehmen. Barthel, von seinen Freunden Tom-Tom genannt, sieht in der PDS „eine Grenze erreicht, wo man nicht mehr auf die politischen Inhalte, sondern auf die Wählerstimmen schaut“. Im Konferenzsaal des Karl-Liebknecht-Hauses in Berlin-Mitte prangte am Sonntag das Wahlkampfmotto der PDS „Veränderung beginnt mit Opposition“. Doch Tom-Tom und seine Freunde befürchten, daß der Satz am Ende vielmehr Veränderung der Opposition heißen müsse. Im Wahlkampf, so wettern die Jungen GenossInnen, müßten sie zunehmend die Erfahrung machen, daß auch in der PDS „die sozialen Bewegungen“ ausgegrenzt würden.

Die Kritik der Jungen GenossInnen hat hohe Wellen geschlagen. Als die AG nach ihrer Bundeskonferenz in Magdeburg Ende Januar ein Papier mit dem Titel „Widerstand in der PDS ist bitter nötig“ verabschiedete, war es im besonderen ein Satz, der in der PDS für Furore sorgte. Die über 100 TeilnehmerInnen des Treffens hatten erklärt: „Die PDS befindet sich nach der Brandenburger Wahl auf dem Weg der Etablierung und Anpassung. Das haben wir im Wahlkampf nicht versprochen, sondern Opposition. Wenn diese Tendenz anhält, dann halten wir es für richtig, daß sie bei kommenden Wahlen nicht wiedergewählt wird.“ Bei den Kommunalwahlen in Brandenburg hatte die PDS anfang Dezember überraschend als zweitstärkste Partei abgeschnitten.

Der Freude über das unerwartet gute Wahlergebnis stellte die Parteijugend ihre geharnischte Kritik entgegen. Der Weg zu einer profilierten sozialistischen Partei oder Bewegung, erklärten sie bei ihrer Bundeskonferenz, sei solange „verstellt, wie Autonome, AntifaschistInnen, Wehr- und Zwangsdienstverweigerer auch von PDS- Mitgliedern als ,Chaoten‘ angesehen und beschimpft werden“. In der Bestrebung, von den etablierten Parteien anerkannt zu werden, werde auch in der PDS vor Ausgrenzungen nicht zurückgeschreckt, Aktionen würden „bewußt ver- und behindert“. Das saß.

Parteichef Lothar Bisky und Gregor Gysi antworteten umgehend in einem offenen Brief: „Kritik ja, durchaus auch Widerstand... Aber die Androhung, zum Boykott der Wahl der PDS aufzurufen, geht uns eindeutig zu weit.“ Die AG begebe sich damit in das Fahrwasser der etablierten Parteien, die sowieso gegen eine Wahl der PDS aufrufen würden.

Das Treffen am Sonntag sollte die Wogen glätten. „Nein, wir haben nicht vor, zum Boykott der PDS aufzurufen“, sagt Thomas Barthel den rund sechzig BesucherInnen. Dennoch hält er am Vorwurf fest, daß „sich Teile der PDS in Richtung Etablierung bewegen“. Dauerhafte Veränderungen, verkündet er, werden außerhalb der Parlamente erkämpft. Aufgabe der Partei müsse daher sein, außerparlamentarische Bewegungen zu unterstützen, „ihr Partner im Parlament zu sein“.

Rolf Kutzmutz, der in Postdam beinahe Oberbürgermeister geworden wäre, kann mit solchen Sätzen nur wenig anfangen. In die Runde hinein fragt er, ob er sich jetzt dafür „entschuldigen soll, als Kandidat der PDS Oberbürgermeister werden zu wollen“. Die Argumentation der Jungen GenossInnen nennt er „unehrlich und blödsinnig“. Außerparlamentarische Opposition und parlamentarische Vertretung schlössen sich doch gegenseitig nicht aus.

Den Vorwurf der Etablierung weist auch PDS-Vorständlerin Yvonne Kaufmann zurück. Ob die Arbeitsgemeinschaft der Jungen GenossInnen etwa glaube, daß die Ausgrenzung des PDS „vorbeigeht?“ Wegen einer Bombendrohung habe zum Beispiel am Vortag in Thüringen eine PDS-Veranstaltung abgebrochen werden müssen – und zwei Tage zuvor hätte im gleichen Bundesland der Justizminister das „Gespenst PDS“ an die Wand gemalt und dessen Beobachtung durch den Verfassungsschutz gefordert.

Maxim Florin, der ausdrücklich betont, keine Parteiämter auszuüben, bringt die Debatte auf den Punkt: Die Haltung der einzelnen Diskutanten sei jeweils dadurch geprägt, „wem gegenüber sie verpflichtet sind“. Ein wenig unbemerkt hat die Auseinandersetzung um parlamentarisches Spiel- oder Standbein jetzt auch die Partei des Demokratischen Sozialismus erreicht.