■ Debatte
: Theater-Würgen!

Werte Frau Senatorin Trüpel!

Unsere letzte Produktion Red, Blue and Yellow zum Thema Aids hatte im Juni 93 an der Volksbühne in Berlin beim Internationalen Welt-Aids-Kongreß Premiere. Sie gilt als die einzige künstlerisch und ästhetisch gelungene Produktion zu dem Thema Aids an deutschen Bühnen.

Eine zweite Aufführungsserie im Freiraum-Theater kann wegen dessen Schließung nicht stattfinden. Mehr noch, uns sind mit der Schließung annehmbare Arbeits- und Aufführungsmöglichkeiten in Bremen genommen. Es gibt mit der Schließung des Freiraum-Theaters keine Bremer Gastspielstätte mehr für freies professionelles Theater. D.h. Künstlern, die außerhalb von Theater-Institutionen arbeiten, wird die notwendige Infrastruktur entzogen.

Warum? Geht es um Geld? Wäre es wirklich so, müßte gerade dieser Bereich unterstützt und ausgebaut werden. Hier kann Geld am ökonomischsten für Kunst eingesetzt werden. Praktisch jedoch geht es zurück zu den 70er-Zuständen, wo es außerhalb der Stadttheater so gut wie keine künstlerischen Arbeitsmöglichkeiten gab. Restauration - das, was Ihre Partei so gerne der konservativen Regierung vorwirft - das ist genau das Resultat Ihrer Politik. Absurd, keine 300.000 Mark für eine freie Bühne auszugeben, wenn für ein am Rande der Bedeutungslosigkeit vor sich hindümpelndes Stadttheater 45 Mio. Mark bereitgestellt werden. Und umso absurder, wenn in einer Zeit, wo jede politische Sonntagsrede über Mutlosigkeit und den Mangel an Visionen in Deutschland klagt, gerade dort das Wasser abgegraben wird, wo die größten Risiken eingangen werden, persönlich, finanziell und künstlerisch.

Was ist Ihre politische Handlungsprämisse? Aufwallungen von heeren Worten, die ihren Widerschein gar bis in die „Zeit“ unter der Überschrift „Würgegriff“ finden? Freies Theater hat sich immer im Würgegriff befunden, und nun wird ihm bei erstbester Gelegenheit der Garaus gemacht.

Mit einem Brief gegen diese Schließung zu protestieren, hat etwas Lächerliches. Was vermögen Worte in einem Klima der Ignoranz und des eitlen Mittelmaßes auszurichten? Dirk Cieslak/ Gruppe Lubricat

21.2.94