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„Opfer und Täter zugleich“

■ Grüner verteidigt Willi Lemke / Geheimdienst scharf kritisiert

Als „düsteres Kapitel der Verfassungsschutzgeschichte“ möchte Martin Thomas, grüner Fraktions-Sprecher und Mitglied der „Parlamentarischen Kontrollkommission des Verfassungsschutzes“ (PKK) den Fall Willi Lemke verbucht wissen. Es sei „absolut unverantwortlich“ gewesen, erklärte er gestern, wie die Schlapphüte den damals 23jährigen Studenten Lemke in die Rolle des Doppelagenten „gedrängt“ (Thomas) hätten ohne ihn „auf die erhebliche Selbstgefährdung und mögliche Folgen dieser Tätigkeit im späteren Leben“ aufgeklärt zu haben. Thomas sieht dadurch die alte grüne Position bestätigt: „Der Verfassungsschutz muß weiter personell abgebaut werden mit dem Ziel, ihn ganz aufzulösen.“

Noch hat PKK-Mitglied Thomas nicht alle Geheimdienst-Akten zum Fall Lemke gesehen. Insbesondere die aus Hamburg angeforderten Unterlagen sind in Bremen noch nicht eingetroffen. Ob sie überhaupt herausgegeben werden, will Hamburgs Innensenator Hackmann „alsbald“ entscheiden, wie sein Sprecher Kelch gestern auf Anfrage mitteilte. Doch schon jetzt ist für den Grünen klar: „Willi Lemke war kein Held; er war Opfer und Täter zugleich.“

Hart ging Thomas dagegen mit dem früheren Hamburger Verfassungsschutz-Chef Hans Josef Horchem ins Gericht, der Lemkes KGB-VS-Geschichte in seinen Memoiren geoutet hatte: „Horchems Buch enthält eine Reihe von Unterstellungen und Halbwahrheiten, die nicht unwidersprochen hingenommen werden dürfen. So hat sich Willi Lemke nicht dem Verfassungsschutz angedient – vielmehr nutzte der VS die günstige Gelegenheit, einen neuen Mitarbeiter für die Spionageabwehr zu gewinnen, als Lemke die Geheimdienstler vom Anwerbeversuch des KGB informierte.“ Besonders „skrupellos“ findet Thomas schließlich, daß Horchem im Oktober 1973 die „Abschaltung“ des Agenten Lemke durch den Bremer Innensenator Fröhlich zu verhindern versucht habe: „Horchem mußte wissen, daß der KGB über kurz oder lang vom mittlerweile politisch erfolgreichen Lemke Informationen über hochrangige Bremer Politiker verlangen würde.“

Der Fall Lemke sei dabei nur „die Spitze des Eisbergs“, erklärte Thomas. Auch in vielen weiteren Fällen habe der Verfassungsschutz ähnlich verantwortungslos „Leben und Karriere junger Menschen ruiniert, die sich ihm offenbart haben“. Die politische Kontrolle des Geheimdienstes sei „eine Farce“, denn „die normalerweise vierteljährlichen PKK-Sitzungen können die Verselbständigungstendenzen der Geheimdienste nicht verhindern“.

Für seinen Duzfreund Willi Lemke fordert Thomas jetzt volles Recht auf Einsicht in die VS-Akte: „Da ein ehemaliger Staatsbeamter Willi Lemke enttarnt hat, kann in diesem Fall die sogenannte Staatswohlklausel nicht gelten.“ Die Bremer PKK will sich morgen noch einmal mit dem „Fall Lemke“ befassen. Ob der Hamburger „Kontrollausschuß“ das auch schon getan hat, wollte sein Vorsitzender, der CDU-Abgeordnete Ole von Beust, gestern nicht sagen. Ase

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