■ Olympische Winterspiele
: Lillehammer? Hah!

Früher war alles besser. Lillehammer 1994? Hah! Das interessiert doch nun wirklich niemand mehr. Und schon gleich gar nicht mich. Lillehammer? Nein, auch wenn sich jetzt, wie ich lese, noch schnell der Ex- Faschist und Franco-Freund und IOC-Präsident Antonio Samaranch mit seinen Feinden und Anklägern ausgesöhnt hat – Lillehammer: Für mich vom Anpfiff weg gegessen.

Früher war alles besser. Heute interessiert sich doch niemand mehr für Sport und Olympiade, und für Winterolympiaden in ausgerechnet – hah! – Lillehammer da oben am Nordpol schon gleich gar nicht. Und wenngleich 1,8 oder 4,5 Milliarden Fernsehzuschauer das Gegenteil zu beweisen scheinen, und selbst wenn es mehr als die Weltbevölkerung werden – alles Unsinn, alles Lüge, alles manipulierte Zahlen irgendwelcher Werbesponsoren, nein, ich weiß es doch, Winterolympiade interessiert wirklich keinen mehr.

Früher, ja! Ja, früher – da war alles besser, da war alles noch in Ordnung. Wenn ich da etwa an Oslo 1952 denke, Oslo, ja – die erste Winterolympiade, die erste nach dem Krieg, die erste, die ich persönlich bebenden und sofort entflammenden Herzens miterleben durfte, damals noch Gott sei Dank ohne das doofe Fernsehen, sondern nur über Presse und Radio – ah ja, Oslo! Da stimmte noch alles, da stimmte sogar die Buchstabensymbolik. Oslo, das hieß für uns Deutsche: Ostler Anderl mit gleich zwei Goldmedaillen im Zweier- und Viererbob. Oslo, das hieß aber auch Ossi Reichert mit einer Silbermedaille, neben der unvergeßlichen Mirl Buchner mit Silber und Bronze – ja, und natürlich dann auch Gold im Paarlauf, Ria und Paul Baran-Falk.

Ja, da stimmten und funktionierten die doppelten Rittberger und Todesspiralen noch. So wie es eben auch und ganz besonders im Bob noch stimmte. Da waren die Ostler und Nieberl wirklich noch – wie der Name sagt – Bobfahrer und also mindestens 150 Kilo schwer. Nicht so wie heute der Georg Hackl, der nicht nur durchtrainiert ist wie ein Mark Spitz und Armin Hary, sondern auch fast noch wie ein Beau, fast wie Omar Sharif ausschaut. Gut, Hackl ist Rodler und gar nicht Bobfahrer – aber was wahr ist, muß doch wahr bleiben! Das wird man doch wohl noch unzensiert sagen dürfen! Auch in einer überregionalen Zeitung, hah!

Cortina 1956. Squaw Valley 1960. Ich sage nur: Helmut Recknagel. Sieg für Heidi Biebl! Was Erinnerungen! Reden wir nicht drüber. Tempi passati. Leider.

Ja, früher war eben alles besser. Besser, irgendwie fernsehfreier – und sportlicher. Reden müssen wir hier deshalb doch kurz und inbrünstig von 1964. Innsbruck 1964. O des uns heute noch überwölbenden Eingedenkens, o des Hohen und Edlen, das uns und die Winterspitzensportler damals meist noch beflügelte, o der Erinnerungen speziell an das ewig unsterbliche Eislaufduell Kilius/Bäumler gegen Ludmilla Belusownawawa und Oleg Potropopopopow oder so ähnlich. Hah!

Und Heinz Maegerlein natürlich hin und weg, Maegerlein, der damals eiskunstlaufmäßig führende Radio- und Fernsehreporter, begeisternd und selber begeistert am Mikrophon, begeistert von dreifachen Rittmeistern und gestandenen Jägermeistern und begeistert von all den Damen, den unvergänglichen Gundi Busch und Marika Kilius bis Dagmar Lurz, denen er, Maegerlein, allen-aber-auch-allen hingerissen unters kurze Röckchen spähte und uns nimmermüd' von seinen Beobachtungen und Erkenntnissen kundig, ja fast frivol schon Mitteilung machte – hah!

Ja, freilich, früher war alles wirklich besser, hah! 1968: Grenoble. Was eine Noblesse aller Aktiven! 1972: Sapporo. „Sappradie!“ entfuhr es da immer wieder hingerissen dem Spitzenreporter Harry Valérien, bayerisch für sacra dies. 1976 schließlich: Rosi Mittermaier! Zweimal Gold und einmal Silber obendrein!

Ach, ach der wunderherrlichen Tage, da die Eiskunstherren noch mit Knickerbocker ihre Kurven schlenzten, ach der Zeit, da es noch kein doofes Biathlon gab und keinen Super-G-Ski oder wie das Zeugs da heißt. Sondern nur in voller Klassizität Abfahrt, Riesenslalom und Spezialslalom. Mit anderen Worten: Rosi, Rosi, Rosi.

Ja, abwärts ging es dann schon 1980 und 1984, nicht einmal ich, der Gedächtniskünstler, weiß noch, wo diese blöden, sinnlosen Spiele denn eigentlich waren – New York? Ural? Schwarzwald? Skandalös, wie einem da schon wieder neue Namen in den Kopf gepreßt wurden und sofort wieder verflogen, wie jener ominös nominöse Jens Weißflog – verflogen – als ob nichts gewesen wäre. Ach wie anders war's doch da früher noch mit den unverblühlichen Sepp Weiler und Sepp Bradl, Chris Pravda und Christl Cranz, Zeno Coló und Stein Eriksen, Maxi Herber und Ernst Baier, Sonja Henie und Fritz Walter, Uwe Seeler und Toni Turek, Gottfried von Cramm und – und – Gabi Seifert. Gabi Seifert, ja, die natürliche Tochter jener Jutta Müller, die da als Trainerin sogar ihr eigenes Fleisch und Blut durch die Luft jagte. Und dabei Gabi Seifert doch ein freier Mensch blieb!

Ganz anders als jene Katarina Witt, haha, die da neulich nach einem kleinen Dissens mit dieser Trainerin Müller noch als 28jährige Ex-Profitante eingestand, ohne diese Trainerin „bin ich nichts“. Hah, wie peinlich! Wo bleibt denn da die Emanzipation auf dem Eise? Kati Witti? Hahahahah! Ich sage nur: Ina Bauer! Und jener holländische Eiskunstbomber, der da 1960 auf einen unaussprechlichen Namen wie Schoukke Deickksdra o.s.ä. hörte, sicherlich 140 Pfund auf die Waage brachte und doch wie ein glatter Flugsaurier in der Luft lag, ja, aah!

Jawohl, früher war alles besser. Irgendwie ehrlicher. Beziehungsweise amateurstatusnäher. Und überhaupt sinnlicher. Oder jedenfalls: sinnvoller. Und heute? Kann man nur noch in seligen Erinnerungen schwelgen. In Erinnerungen mosern. Und selbst das wollen sie einem verderben: „Die Spiele sind für alle da“, heißt es in einer Lillehammer-Broschüre (FAZ, 9.2.94), „auch für die, die den Sport hassen.“ Doppelter Skandal. Nicht mal das lassen sie mir. Und dabei wollte ich gerade noch schnell ätzend drauf verweisen, daß Oslo 52 bis Lillehammer 94 genau 42 Jahre sind – also nicht einmal durch 4 als Zyklus-Rhythmus teilbar. Aaah! Nicht mal das klappt mehr. Eckhard Henscheid