Wem gehört das Haus der Demokratie?

■ Noch immer haben Treuhand und Unabhängige Kommission zur Überprüfung des SED-Parteivermögens die Eigentumsfragen nicht geklärt 7 Wolfgang Ullmann: Haus ist ein "Denkmal der Revolution von 1989"

Als Wolfgang Ullmann, Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Grüne neulich gefragt wurde, was er vom Vorschlag des parlamentarischen Geschäftsführers der CDU, Volker Liepelt, halte, in Berlin ein Denkmal für die DDR- Bürgerrechtsbewegung zu bauen, war er ganz baff. „So was gibt es doch schon“, meinte er, es stehe in der Friedrichstraße 165 und heiße „Haus der Demokratie“.

Seit dem 14. Dezember 1989 ist dieser Name Programm. Denn an diesem Tag beschloß der zentrale runde Tisch, das ehemalige Gebäude der SED-Kreisleitung Berlin-Mitte den verschiedenen Gruppen der Opposition zur Verfügung zu stellen. „Das war wirklich ein revolutionärer Akt“, sagt Ullmann, der heute Kuratoriumsvorsitzender der im letzten Monat gegründeten Stiftung „Haus der Demokratie“ ist. Mit den Nachwehen dieses „revolutionären Beschlußes im Namen der Demokratie“ müsse man sich aber heute noch herumschlagen, meinte er gestern auf einer Pressekonferenz anläßlich des vierjährigen Bestehens. Denn gesichert sind die Eigentumsverhältnisse leider immer noch nicht.

Und das liegt am komplizierten Einigungsvertrag und den noch viel komplizierteren Bestimmungen zur Rückgabe beschlagnahmten oder enteigneten Vermögens während der Zeit der sowjetischen Militärregierung bis zur Gründung der DDR im Oktober 1949. „Ein Thema für Dutzende von Doktorarbeiten“, meinte der Staatsrechtler Ullmann. Denn ungeklärt sei für die Treuhand und die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Parteivermögens – unter deren Obhut das Haus heute steht – zweierlei. Zum einen, ob die PDS/SED überhaupt befugt war, das Haus am 20.11.1990 offiziell für 60.000 Mark an die Bürgerrechtsbewegung zu verkaufen und zum zweiten, ob nicht die Enteigneten doch noch einen Rechtsanspruch auf Restitution haben. „Das wäre ein moralischer und politischer Skandal“, meint Ullmann und er forderte gestern die Treuhandanstalt auf, die Eigentumsverhandlungen nicht länger zu verzögern, sondern das Haus endgültig und mit allen Rechtstiteln den heutigen Nutzern zu übergeben. „Das Gebäude ist ein politisch unverzichtbarer Stützpunkt der Bürgerbewegungen von Berlin, Deutschland und darüber hinaus.“

Die alten „Besitzer“, die das dreistöckige Gebäude in teuerster Lage von Berlin gerne wiederhaben wollen, ist die Preussag AG. Das Energieunternehmen ist der Rechtsnachfolger des Oberschlesischen Steinkohlesyndikats, ein Tochterunternehmen der Hermann-Göring-Werke. Sie hatten das Haus 1941 von der Brauerei Pschorr AG, München gekauft, nachdem die jüdischen Aktieninhaber ausgebootet waren. Die sowjetische Militärregierung befand im Sommer 1949 die oberschlesischen Kohlebarone als Kriegsverbrecher und erklärte das Haus zum Volkseigentum. Allerdings wurde diese Enteignungsverfügung erst nach Gründung der DDR im Amtsblatt veröffentlicht. Und seit dem Einigungsvertrag gibt es deshalb Streitereien über die Frage, ob diese Enteignungen unter das Rückgabeverbot fallen oder nicht. Die Preussag AG meint nein, und wartet immer noch auf ein Verfahren vor dem Berliner Verwaltungsgericht. Die Entscheidung der Unabhängigen Kommission vom Dezember 1992, das Haus nicht restituieren zu wollen, lehnt die Preussag AG ab.

„Das Haus geht nicht zurück, schon gar nicht an eine Nazi- Firma“ erklärte auch Klaus Wolfram, das für Eigentumsgeschichten zuständige Vorstandsmitglied in der Stiftung „Haus der Demokratie“. Nirgendwo in Deutschland würden sich so viele demokratische Organisationen unter einem Dach befinden, nämlich inzwischen über dreißig. Eine solche Begegnungsstätte in der der „emanzipatorische Geist der DDR-Opposition“ noch lebendig sei, dürfe nicht in die Peripherie verdrängt werden, sagte er.

Über den Parlamentarismus, die Rätedemokratie und die Aktualität von runden Tischen diskutiert Wolfgang Ullmann mit anderen am 25. Februar und über das „Haus der Demokratie“ als gesamteuropäisches „Denkmal der Revolution“ von 1989 am 5. März. Anita Kugler