Billig wird bald sehr teuer

■ Läden, die CDs vermieten, werden durch eine neue Richtlinie der Europäischen Union in ihrer Existenz bedroht / Musikkonzerne machen Kleingewerbe kaputt

Nach dem 100. Abspielen einer Vinyl-Schallplatte ist es meistens soweit: Der Tonarm springt, es schrebbelt und knarzt aus dem Lautsprecher. Eine Compact Disk hat da mehr zu bieten. Unverwüstlich in der Qualität ist die kleine silberne Scheibe, aber dafür auch teuer. Konnte man sich für 100 Mark noch vor zwei Jahren fünf Schallplatten kaufen, so reicht das Geld heute für drei CDs.

Daniel Goldmann macht aus dem Preisunterschied ein Geschäft. Seit fünf Jahren betreibt der 26jährige mit seiner Mutter den CD-Verleih „Zee Dee“ im Wedding. „Anfangs haben wir hier Parfüm verkauft und ein paar CDs verliehen“, sagt Goldmann. „Dann wurden es immer mehr CDs und immer weniger Parfüm.“ Heute hat er 25.000 von den glänzenden Scheiben in seinem Programm.

Für zwei bis drei Mark pro Tag kann sich der Musikfreak eine Scheibe mieten: Von der neuesten Kuschel-Rock-CD über Mozart bis zum harten Independent. Und die Kundschaft belohnt das günstige Angebot. Rund 100 Leute leihen nach Goldmanns Schätzung täglich bei ihm stapelweise CDs.

Doch mit dieser Nische für preisbewußte Musikfans wird es bald vorbei sein. Ab dem 1. Juli dieses Jahres soll eine EU-Richtlinie das deutsche Urheberrecht „harmonisieren“. Dann haben die großen Plattenhersteller wie Virgin, EMI oder Bertelsmann den Daumen auf der CD-Vermietung. Nur noch mit ihrer Erlaubnis dürfen Neuerscheinungen verliehen werden.

„Und die werden die Hersteller uns nicht erteilen“, sagt Goldmann. „Dann habe ich Umsatzeinbußen von 40 Prozent.“ Und das bedeutet das Ende für bundesweit rund 150 Verleihläden, befürchtet Detlef Stoffelts vom Bundesverband der CD-Vermieter Deutschlands (BCDV). Und den finanziell schwachen Konsumenten wie SchülerInnen werde die einzige Möglichkeit genommen, sich Neuerscheinungen zu besorgen.

Schon seit acht Jahren prozessieren große Plattenlabels gegen kleine Vermieter mit dem Ziel, ein Verleihverbot durchzuboxen. „Denn CD-Verleih ist Kauf zum Mietpreis“, sagt Elmar Kruse von der International Federation of Phonographic Industries (IFPI). Dadurch fügten die Verleiher den Herstellern erhebliche Verluste zu. Doch konkrete Zahlen konnte er der taz nicht nennen.

Detlef Stoffelts hält das Verlustgeschrei der Plattenindustrie für reinen Etikettenschwindel. „Die wollen sich unsere Gewinne auch noch einsacken, dabei geht es ihnen verdammt gut.“ Allein 1992 machten die Plattenhersteller nach Angaben des IFPI einen Umsatz von über vier Milliarden Mark allein auf dem deutschen Markt. Das waren rund 500 Millionen Mark mehr als zwei Jahre zuvor.

Mit dem Umweg über Brüssel haben sie es letztendlich geschafft, ein „De-facto-Verbot“ der Vermietung durchzudrücken, meint Stoffelt. Denn gegen eine EG- Richtlinie könne man nur wenig machen. „Die gilt, ob sie der Bundestag ablehnt oder nicht.“ Trotzdem gibt Stoffelts nicht auf: Der BCDV will Verfassungsbeschwerde gegen die Änderung des Urheberrechts einlegen. Doch der Erfolg sei ungewiß. Daniel Goldmann will nicht auf CD-Verkauf umsteigen: „Die Konkurrenz ist viel zu groß. Vermieter, die jetzt auf Verkauf umstellen, gehen sowieso bald kaputt.“ Olaf Bünger