Mit den Reps gegen Steglitzer Juden-Denkmal

■ Spiegelfechterei um Spiegelwand: Nach einer quälend langatmigen Debatte schmettern Steglitzer Bezirksverordnete die SPD-Initiative mehrheitlich ab

Für einen Moment sah es am Mittwoch abend in der Bezirksverordnetenversammlung so aus, als ob der Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion, die „Spiegelwand“ zur Erinnerung an die aus dem Bezirk deportierten und ermordeten Juden doch noch am Hermann- Ehlers-Platz zu bauen, Erfolg haben könnte (taz vom 22.2.).

Das war, als der im Publikum sitzende Franz Chotzen – entgegen allen Geschäftsordnungen – zum Mikrophon treten und eine Rede halten durfte. Dergleichen war seit 1945 niemals im Bezirk passiert. „Ein historischer Moment“, meinten später unisono SPD, Grüne und sogar FDP-Abgeordnete. „Ich bin ein Jude und habe vor dem Krieg in Steglitz gewohnt“, sagte der 76jährige. Mit großer Bewunderung habe er das Ringen der Bezirkspolitiker um die Realisierung des Denkmals fünfzehn Monate lang beobachtet. Und jetzt höre er mit Schrecken, daß die BVV den preisgekrönten Entwurf von Wolfgang Göschel und Joachim von Rosenberg beerdigen möchte, nur weil die Künstler nicht bereit seien, sich den CDU-Vorstellungen von höchstens sieben Meter Länge zu beugen. „Das wäre aber so, als ob man das Grabmal Ihrer Eltern so verkleinern würde, daß man die Namen Ihrer Verwandten nicht mehr lesen könnte“, rief er den Abgeordneten zu. „Tun Sie das nicht, setzen Sie ein Zeichen!“

Diese Rede bewegte alle, außer einen Abgeordneten der Reps. Denn er hatte den Raum zuvor türenknallend verlassen. Wäre der Antrag des CDU-Baustadtrates Rene Rögner-Francke, die BVV möge von einer „Verwirklichung“ des Wettbewerbsentwurfes „ersatzlos Abstand“ nehmen und der Antrag der SPD, es doch mit neun Metern Länge zu „realisieren“, jetzt abgestimmt worden, vielleicht hätte er eine Chance gehabt.

Aber dann fing eine stundenlange, quälende, sich permanent wiederholende und weitgehend formal geführte Spiegelfechterei an – und die Rede von Franz Chotzen war vergessen. Mit den Stimmen von CDU, FDP und den vier Rep-Abgeordneten – ohne sie wäre es nicht gegangen – stimmte die BVV den Realisierungsantrag der SPD nieder. 23 Neinstimmen, 19 Jastimmen. Die Reps freuten sich unbändig, natürlich im Interesse der Steuerzahler, die FDP tat ein bißchen verschämt, und die CDU hatte gewonnen, denn der Entwurf hatte ihnen von Anfang an nicht gepaßt.

Was jetzt mit dem, was alle „Denkzeichen“ nennen, passiert, ist völlig ungeklärt. Denn weil nur der Dringlichkeitsantrag abgestimmt wurde und der eigentliche CDU-Antrag, es ganz abzulehnen, von den Grünen zurück in die Ausschüsse verwiesen wurde – einem Antrag, dem automatisch stattgegeben werden muß –, hängt jetzt das ganze Projekt in der Luft. Abgelehnt wurde es nicht, aber realisiert auch nicht. Und die nächsten Ausschuß- und BVV-Sitzungen müssen sich um Flächennutzungspläne etc. kümmern. Anita Kugler