Deutsch-iranische Kultur trotz Rushdie-Mordaufruf

■ Der iranische Vizeaußenminister Vaesi putzt in Bonn erfolgreich die Klinken

Berlin/Bonn (taz) – Unbeirrt von Wiederholungen des Mordaufrufes gegen den Schriftsteller Salman Rushdie arbeiten die deutsche und die iranische Regierung an der Verbesserung ihrer Beziehungen. Dieser Tage putzt der iranische Vizeaußenminister Mahmoud Vaesi in Bonn Klinken. Nach Gesprächen im Außenministerium erklärte er am Mittwoch, Staatssekretär Dieter Kastrup und er hätten sich darauf geeinigt, in Teheran ein deutsches Sprachinstitut zu eröffnen. Die Einrichtung könne einen ersten Schritt zur Wiedereröffnung des 1987 von den Iranern geschlossenen Goethe-Instituts bilden. Die deutsch-iranische Kulturkommission werde noch vor Ende des Jahres zusammentreten, um über Weiteres zu beraten. Vereinbart worden sei auch, daß das Deutsche Archäologische Institut seine Arbeit im Iran wieder aufnehmen kann. Des weiteren dürften in Teheran lebende Kinder aus deutsch-iranischen Ehen die dortige deutsche Schule besuchen. Bereits im April würden beide Regierungen gemeinsam in Teheran ein Seminar zum Thema Menschenrechte veranstalten.

Für Vaesi, der heute von Bundeskanzler Helmut Kohl empfangen wird, sind die Vereinbarungen ein voller Erfolg. Von Protesten Intellektueller und Schriftsteller begleitet, versucht die iranische Führung seit Jahren, ihre internationale Isolation durch kulturelle Kontakte zu durchbrechen. Die angekündigte Zusammenkunft der deutsch-iranischen Kulturkommission könnte zur Wiederbelebung des deutsch-iranischen Kulturabkommens führen. Das im November 1988 geschlossene Abkommen trat nie in Kraft, weil fünf Bundesländer (Bayern, Hamburg, Bremen, Hessen und Rheinland- Pfalz) ihre Zustimmung verweigerten. Grund für die Ablehnung war der im Februar 1989 ausgesprochene Mordaufruf gegen Rushdie. Der Kulturkommission gehören wechselnde Vertreter unter anderem des deutschen und des iranischen Außenministeriums an.

Zuletzt hatte das Gremium im Dezember 1991 getagt. Damals versuchte Außenminister Kinkel ungeachtet des Mordaufrufs, eine Ratifizierung des Abkommens durchzusetzen. Ein neuer Vertrag war bereits formuliert. Kinkel ließ erst davon ab, nachdem der iranische Botschafter in Bonn, Hossein Moussavian, Ende 1992 den Mordaufruf verteidigte und die iranische Stiftung „15. Choradad“ das Kopfgeld erhöhte.

Ähnliches geschah auch wenige Tage bevor Vaesi in Bonn landete. Der Leiter der religiösen Stiftung, Ajatollah Hassan Sanei versprach am Montag einen „Sonderzuschlag“ für den Mord. Darauf angesprochen, erklärte Vaesi in Bonn: „Die iranische Führung und der Staat haben mit diesem Schritt nichts zu tun.“ Der Version widerspricht, daß Sanei dem religiösen Leiter Irans und Chomeini-Nachfolger Ali Chamenei verpflichtet ist. Zudem wird die Stiftung zum Teil durch die staatliche iranische Industrie finanziert. taud