: Szenen aus dem Sumpf der Ehe
■ „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ im Theater im Zimmer
„George, du bist zum Kotzen!“. „Ach Martha, du Schlampe. Willst du einen Drink?“. Premiere im Theater im Zimmer. Das psychoterror-erprobte Paar Martha und George, der Alptraum eines jeden Psychiaters aus Edward Albees Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, peitschte gestern drei Stunden lang mit Gemeinheiten aufeinander ein.
Ein mutiges Unterfangen von Regisseur Christoph Roethel,mit dem berühmten Theaterstück seinen Einstand als Oberspielleiter im Zimmer-Theater zu geben. Platz läßt er seinen Schauspielern, beschränkt sich aufs Notwendige. Die Bühne als schlicht-modernes Wohnzimmer mit weißer Ledercouch, eine schmale schummrig-beleuchtete Bar, als blauer, später morgendlich roter Hintergrund ein großes Fenster. Die Ausstattung läßt Raum für das raffinierte Psycho-Spiel der vier Charaktere, doch dem Schauspielerensemble gelang es nur mäßig, die verzweifelte Gefühlswelt der Figuren zwischen den Schachzügen der Konversation transparent zu machen.
Gerhild Didusch brachte zwar eine überzeugende Einzelleistung als angeschlagene Martha, wie sie sich schlampig aber doch erotisch am Wodkaglas mit der einen, an der Zigarette mit der anderen Hand festhält. Sie bleibt jedoch eine Spur zu schön mit verrutschenden, aber nie ganz zerwühlten Haaren. Die Unterhaltung mit ihrem frustrierten Ehemann beschränkt sich meist auf – immer wohltönendes – Gebrüll, das zwar in die Ohren, aber nicht unter die Haut geht.
Niels Hansen kommt über einen verklemmten George nicht hinaus, den er sparsam darzustellen versucht, dessen Verzweiflung aber bloß in den Worten Albees bemerkbar und nicht in der Körpersprache sichtbar ist. Seine starre Mimik verrutscht auch nicht nach dem reichlichen Bourbon-Konsum. Hansen beherrscht die Rhetorik seiner Rolle exzellent, doch schauspielerisch bleibt er bürokratisch.
Dem jüngeren Ehepaar, Traudel Sperber als naives Eheweibchen Hase im gelben Mickey-Mouse-Kleid und dem aalglatten Gatten Nick, gelingt es ab und zu, Betroffenheit sichtbar zu machen. Vor allem Traudel Sperber, wenn sie, total betrunken an ihrer Brandyflasche nuckelnd, sich vertraut zu Martha herüberlehnt. Ihr ist anzusehen, daß sie unter dem selbstzerstörerischen Sumpf, den sie um sich herum weiß, leidet.
Katrin Wienefeld
täglich außer Mo, bis 31. März
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